Zombies und Aliens

Verfasst am 15. April 2011 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 3.925 views

Mit Cervet im Geisterzug…

Nachdem der Geisterzug nun schon seit einigen Monaten seine Fahrt aufgenommen hat, wird es auch für Metal-Aschaffenburg höchste Zeit, sich ein Abteil (nun ja – eher einen Tisch im nicht minder gemütlichen Dead End) zu reservieren, um mit Lokführer, Sänger und Bassist in Personalunion „Zappa“ über die jüngste Vergangenheit von Cervet zu plaudern…

Cervet - Ghost TrainMetal-Aschaffenburg (Michael): Zappa, das Cervet-„Comeback“-Album „Season Of The Witch“ bestand ja im Grunde aus älteren, bereits fertigen Stücken. Sind die Songs von „Ghost Train ebenfalls aus dieser Zeit oder allesamt komplett neu entstanden?

Zappa: Eher aus der Zeit kurz nach „Season Of The Witch“. Der Titelsong „Ghost Train“ ist aber komplett neu. Den haben wir für die CD gemacht. Wir haben ihn geprobt, geprobt, geprobt und der Gesang ist dann erst im Studio dazu gekommen. Ich hatte das Lied bei den Proben noch nie gesungen.

(allgemeines Erstaunen)

Metal-Aschaffenburg (Linda): Echt? Daher der etwas „andere“ Gesang?

Ja, das war so Absicht. Wir sind ja keine professionelle Band – da ist es normal, dass man viele Songs live spielt, die vielleicht erst in einem Jahr auf eine CD kommen. Bei „Ghost Train“ hatte ich ein bisschen Angst – weil wir den Song ja nie live gespielt hatten – wie es ist, zu singen und gleichzeitig dazu Bass zu spielen. Hat aber gut geklappt. Nur den Part mit Cleangesang im Mittelteil habe ich mir dann ein bisschen vereinfacht.

M: „Ghost Train“ ist auf jeden Fall eines der ungewöhnlichsten Cervet-Stücke.

Ja, die Gitarrenparts sind komplett von Patrick und der Song war ursprünglich sogar noch zwei Minuten länger. Das hatte aber so gewirkt, als ob er mit Gewalt irgendwie zusammengestückelt worden wäre. Diese zwei Minuten haben wir dann rausgenommen und werden sie für ein eigenes Lied nehmen, weil es sonst schade um das geniale Riff wäre. Und wir sind ja eh nicht die Band, die sieben-achtminütige Stücke zu schreiben, sondern mögen es lieber kurz und knackig. Von daher ist ja „Ghost Train“ mit sechs Minuten schon eine Ausnahme.

M: Ist die Idee Cleangesang zu verwenden dann auch erst im Studio entstanden oder hast du das schon vorher festgelegt?

Nee. Ich mach das immer so: Wir nehmen die Songs im Proberaum auf und ich mach‘ mir eine CD davon, die ich im Auto höre. Dabei fällt mir dann der passende Gesang dazu ein. Beim Proben testet man dann ein bisschen was aus und singt irgendeinen Rotz. Den endgültigen Text schreibe ich dann in Ruhe zuhause und probiere den dann wieder beim Autofahren aus. Also, der Gesang auf „Ghost Train“ war schon so geplant wie er ist, nur habe ich ihn im Studio eben das erste Mal gesungen.

M: Und die Idee zum Text kam dir auf dem Volksfest… vor der Geisterbahn.

(lacht) Nee. Als wir letztes Jahr auf der Beatbaracke gespielt hatten stand im Main Echo am nächsten Tag „Cervet und ihre Geisterbahn-Musik“. Das fand ich ziemlich witzig – irgendwie ein gutes Image. Ursprünglich sollte das Stück „Horror Opera“ heißen.

cervet_shirt-thrashmetal2L: Oh! Da finde ich „Ghost Train“ aber viel besser.

Ja. Der Text dafür stand eigentlich schon. Aber so wurde aus Horror Opera dann (singt) „…Take a ride with the Ghost Train“.

L: Ich frage mich bei manchen Texten, wie man so darauf kommt.

Wir sind ja auch Fans von Grusel- und Horrorfilmen. Manchmal haben wir auch politische Texte mit drin – aber übertreiben es damit auch nicht. Und mal ehrlich: Die meisten Leute juckt es eh nicht, was man da singt. Ich finde, die Horror-Thematik passt sehr gut zu uns. „The Hive“ geht zum Beispiel über die Alien-Filme.

M: Und „Zombie Riot“ natürlich um Zombies.

Ja. Wobei ich gar nicht mal so der große Zombie-Film-Fan bin. Ich guck‘ mir die zwar gerne an, finde aber, die meisten Zombiefilme sind eher Rotz. Das Video von „Zombie Riot“ wollte ich eher so etwas comicmäßg haben – so wie diese alten Gespenster-Heftchen.

M: Ich finde, „Ghost Train“ wäre doch eigentlich auch geil für ein Duett geeignet.

Ja, wir haben schon öfter geplant, mit Saskia von Last Jeton mal was zu machen. Das hätte hier vielleicht gepasst. Ideen gibt es ja viele – nur die Zeit ist immer das Problem. Wenn es nach mir ginge, würden wir noch viel abgedrehtere Sachen mit Cervet machen. So Bühnenshow-mäßig.

M: So wie die Säulen früher oder die Knochen-Deko zuletzt?

Ja, seit Flo bei uns ist, haben wir in die Richtung eigentlich gar nichts mehr gemacht, weil wir die Musik wieder in den Vordergrund stellen wollten. Aber ich würde gern in die Richtung wieder was machen. Bei „Zombie Riot“ würde es zum Beispiel passen, wenn ein paar Zombies auf die Bühne kämen.

M+L: Na da sind wir von Metal-Aschaffenburg sofort dabei!

Au ja! Die Knochen hatte ich mir auch deshalb schicken lassen, weil ich Hobby-mäßig kleine Horror-Filme drehe. Das größte Projekt war ein zweistündiger Alien-Fan-Film, den ich mit einigen Kumpels über die Zeitspanne von drei Jahren gedreht habe. Ich habe dazu fast jede freie Minute investiert und zeitweise sogar in den Kulissen geschlafen – auch ein Grund, warum ich dann bei Tyrax ausgestiegen bin. Cervet, Tyrax und Film waren einfach zuviel.

(An dieser Stelle – und auch im gesamten weiteren Gespräch des Abends – haben wir mit voller Begeisterung wahrgenommen, dass es wohl ein kleines, cineastisches Underground-Highlight gibt.
Wir versprechen, dieses Thema ein anderes Mal noch etwas genauer unter die Lupe zu nehmen! – Anm. d. Red.)

index_bilderM: Wo ihr jetzt so flott hintereinander zwei Alben herausgebracht habt und auch live wieder mehr zu sehen seid, gibt es denn schon neue musikalische Pläne für die Zukunft?

Ja – da gibt es schon wieder etliches. Bei CDs ist es halt mit dem Sound immer so eine Sache. Wir wollen natürlich den bestmöglichen Sound und da ist bei unserem Budget einfach nicht so viel möglich. Dann sagen wir halt: Komm, wir machen nur fünf Songs aber die dafür so gut wie es geht und packen lieber noch eine CD dazu. Das hat ja auch nicht jeder.
Die letzte CD von Tyrax – bei denen ich auch eine Zeit lang gesungen hatte – haben sie im Proberaum aufgenommen und im Studio nur noch mischen lassen. Aber das hört man halt – es ist eher ein Schritt zurück. Das wollen wir nicht machen. Wenn wir schon eine CD machen, dann kostet die halt entsprechend und reicht nur für fünf Songs, aber wir sind 100%ig zufrieden mit dem Sound.

L: Was ja nicht von Nachteil sein muss. Mir geht es oft so, dass bei langen Platten ohnehin schnell die Konzentration nachlässt – im Gegensatz zu einer EP. Die zieht man doch eher mal am Stück durch.

Ja, wenn man eine Platte hat mit 10 Stücken oder so, die sich alle ähneln, dann wird es auf Dauer halt ermüdend. Wir versuchen – obwohl es immer Thrash ist – unsere Stücke immer möglichst abwechslungsreich zu machen.

M: Wie seid ihr denn auf das LFT-Studio gekommen?

Über Tyrax damals. Als ich dort eingestiegen bin, ging es schon kurz darauf ins Studio. Was mir dort so gut gefallen hatte und weshalb ich das auch für Cervet gut fand, war die Tatsache, dass Marc Bugnard kein bisschen arrogant ist und jeden Musiker respektiert, der handgemachte Musik macht.
Jetzt hatten wir ja mit Cervet seit sieben Jahren keinen Schlagzeuger. Andere Bands existieren nicht mal so lange. (lacht) Aber es gab nichts zu verlieren und so haben wir dann dort eine CD mit Drumcomputer gemacht.

Machen wollen wir aber definitiv wieder was. Und Patrick ist momentan das absolute Kreativwunder. Der kommt jede Probe mit einer neuen geilen Idee. Wir könnten also ohne Probleme wieder eine neue CD aufnehmen. Aber wir lassen das Ganze erstmal ein bisschen setzen. Nächstes Jahr so etwa im April wollen wir dann aber vielleicht wieder was machen.

M: Habt ihr schon mal überlegt etwas Altes neu aufzunehmen?

Ja. „Rotting On The Gallows“ würd ich zum Beispiel gern mit auf die nächste CD nehmen. Wir haben ja auch noch alte Proberaum-Kassetten mit Riffs, die damals schon richtig gut waren.
Die beiden alten Demos „Deprave The World“ und „Sunrise“ wurden damals ja noch mit einem 8-Spur-Rekorder aufgenommen. Damals gab es ja noch nicht die Möglichkeiten von heute. Für ein Studio waren wir damals… (Pause) … eigentlich zu schlecht (lacht). Rein vom Timing und so. Walter Schickling von Metal Attack, der das erste Demo mit uns aufgenommen hatte, hat damals schon gesagt: Ihr habt geniale Ideen und Riffs, ihr könnt sie nur nicht spielen. (lacht)

Erst als wir nach der längeren Pause wieder angefangen hatten mit Drumcomputer zu proben, haben wir angefangen, richtig strukturiert zu spielen. Und seitdem Flo dabei ist, es eh besser gelaufen als ich es mir je erhofft hatte. Vorher hatten wir halt einmal im Jahr einen Auftritt. Und jetzt: das mit Sodom. Mehr kann man eigentlich nicht erwarten.

M: Der Gig vor Sodom war dann schon ein Highlight, oder?

Ja, absolut! Ich erwarte jetzt auch nicht, dass noch mal so etwas in dieser Richtung kommt. Aber uns hat das schon gefreut und aufgebaut.
Aber selbst wenn sich niemand mehr für Cervet interessiert oder wir irgendwann so alt sind, dass sich die jungen Bands schämen mit uns auf die Bühne zu gehen (lacht), dann würden wir trotzdem noch proben und vielleicht ab und zu noch eine CD rausbringen.

Hut ab auch vorm Flo. Der hat uns eigentlich mehr oder weniger den Arsch gerettet und ist ein Grund, warum es die Band immer noch gibt. Denn als es mit Tyrax so langsam in die Brüche ging, wollten wir mit Cervet wieder mehr machen – halt mit Drumcomputer.
Wir hatten ja sogar mal einen Auftritt mit Drumcomputer. Das war voll witzig, weil wir auch ein Drum-Solo eingebaut hatten. Da sind wir von der Bühne haben uns an die Theke gesetzt und der der Drumcomputer hat soliert. (alle lachen)
Als Flo dann das erste Mal mit uns geprobt hatte, hatte ich zuerst noch ein bisschen Probleme, weil ich den Computer noch gewohnt war und mit echtem Schlagzeuger eben nicht alles so tausendprozentig genau ist. Ab der zweiten Probe war ich dann aber auch überzeugt. Und gerade bei solcher Musik, wie wir sie machen, da darf ohnehin nicht alles so perfekt sein, sondern muss etwas dreckig sein. So ein Quäntchen Dreck muss bleiben.

cervet-und-ma(mk, lkb)

www.Cervet.de

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