Lucid Dreaming

Verfasst am 01. Dezember 2017 von Michael Klein (Kategorie: Band Of The Month, Interviews, Regionale Bands) — 2.495 views

Mit „The Chronicles Pt. II“ ist Lucid Dreaming erneut ein beachtenswertes Opus gelungen, auf dem sich das Who-Is-Who der Underground-Szene ein Stelldichein am Mikrofon gibt.
Wir befragten Till, den alleinigen Kopf des Projekts zu seiner zweiten Veröffentlichung.

Metal-Aschaffenburg: Hi Till! Noch mal Glückwunsch zu deinem zweiten Lucid-Dreaming-Release!
Mein Favorit auf dem Album ist „Morva’s Marshes“ – und damit bin ich nicht der Einzige. Was macht den Song so besonders?

Till: Diese Frage müssten eigentlich diejenigen beantworten, welche ihn zu ihrem Lieblingssong auf dem Album erkoren haben. Aus meiner Sicht hat der Song als Stärken: Ein stampfiges Tempo, zu dem man gut abgehen kann (Uwe hat beim Mix schon Löcher in die Luft geboxt und ein imaginäres Publikum angefeuert), schöne Gitarrenmelodien, einen hymnischen Refrain und natürlich Jutta Weinholds großartige Stimme. Offenbar ist mir da ein gewisser Ohrwurm gelungen. Schade eigentlich, dass es keine Livedarbietung geben wird, der Song käme bestimmt sehr gut an.

Zum Erstling gab es eine Menge Lob – aber auch hier und da Kritik. Prallt so etwas von dir ab oder nimmst du dir solche außenstehenden Meinungen an und lässt sie Einfluss auf das Songwriting nehmen?

Ich bin immer an Reaktionen zur Musik interessiert und manches kann ich dann nachvollziehen, manches nicht. Ein Kritikpunkt, der immer mal wieder kommt, sind die Längen der Songs und Alben sowie die Fülle an Details. Da lasse ich mich aber nicht beirren, denn gerade das mag ich und ist für mich auch ein gewisses Markenzeichen. Natürlich sind die Songs mitunter nicht leicht zu verdauen, aber für Lucid Dreaming muss man eben auch die Bereitschaft mitbringen, sich auf lange, detaillierte Songs einzulassen.

Manches ist für mich aber auch nachvollziehbar. Gerade bei Metal-Aschaffenburg wurde ja z. B. bemängelt, dass die Gitarrenparts beim ersten Album zu simpel und langweilig ausgefallen seien. Das habe ich mit der Zeit ähnlich empfunden und daher beim neuen Album ganz bewusst darauf geachtet, die Gitarren interessanter zu gestalten. Deswegen gibt es auf der neuen Scheibe weniger offene Akkorde und mehr echtes Riffing, wodurch die neuen Stücke auch noch mal ein Stück härter ausgefallen sind.

Oder noch mal anders gefragt: Bist du bei „Pt. II“ anders ans Songwriting herangegangen als bei „Pt. I“?

Grundsätzlich nicht, da sich bei einem solchen Konzeptalbum die Musik an der erzählten Geschichte orientiert. Man muss also immer darauf achten, welche musikalische Stimmung zu dem jeweiligen Kapitel passen könnte. Ein bewusster Ansatz war die bereits erwähnte Sache mit den Gitarrenparts.

Außerdem habe ich Ruth, die den Geist des Landes Prydain verkörpert, diesmal mehr Leadstimmenparts gegeben. Diese Rolle hat sie sich beim ersten Album quasi ergaunert, da ich sie ursprünglich nur für einige Backing Vocals vorgesehen hatte. Bei den Aufnahmen hatte sie dann die Idee, bei „To Caer Dathyl“ noch einige zusätzliche Zeilen zu singen. So hatte ich also plötzlich eine zusätzliche Figur in der Geschichte, die gar nicht vorgesehen war, haha. Das habe ich auf dem neuen Album weiter ausgebaut, denn diese Figur fand ich sehr reizvoll und wollte ihr mehr Raum geben.

Alleine die Tatsache, dass du dich im Power/Heavy-Metal-Bereich bewegst und Texte mit „Fantasy“-Hintergrund schreibst, bietet Szenepolizisten ja oft schon genug Angriffsfläche. Wenn es um Death oder Black Metal geht, hört man selten Kritik zu den Texten. Da sind Klischees (Tod und Teufel) beinahe ein Muss und kaum wegzudenken. Aber Metal und Fantasy? Bloß nicht! Woher kommt diese häufige Abneigung?

Fantasy hat leider immer den Beigeschmack von Weltfremdheit und Unreife. Lebenslange Nerds halt, die ihre Rollenspielphase nie überwunden haben, hehe. Dazu kommt noch, dass Power Metal (als melodische, fröhliche, nicht wirklich harte Metal-Variante) und Fantasy (als Kinderspiel für kleine Jungs) oft gleichgesetzt werden. Nach dem Motto: Power-Metal-Bands haben immer Fantasytexte und kein anderes Genre gibt sich mit dem Kinderkram ab. Was natürlich Blödsinn ist, aber offenbar die landläufige Meinung.

Eine Abstufung gibt es sicherlich noch bei den unterschiedlichen Formen der Fantasy. Die düstere, brutale Low Fantasy eines Robert E. Howard (von dem ich selbst Fan bin) gilt als akzeptabel, da sie „hart“ und Metal-Kompatibel ist. Vor allem wenn die entsprechende Band auch rauer klingt. Jedenfalls habe ich es noch nicht erlebt, dass man Ironsword oder Manilla Road ihre Fantasy-Texte vorgeworfen hat, erst recht nicht härteren Bands wie Bal-Sagoth oder Kataklysm. Bei High Fantasy, die durchdachter und weniger gewalthaft ist, ist dann schon eher Häme angesagt, insbesondere wenn die Band auch noch „Mädchen-Metal“ spielt (alberner Begriff, der mir übrigens mal von einer Frau an den Kopf geworfen wurde).

Auch „Pt. II“ basiert auf den Büchern „Die Chroniken von Prydain“. Wie originalgetreu hast du dich denn an die Storyline der Vorlage gehalten?

Weitgehend originalgetreu, würde ich sagen. Während das erste Album die beiden ersten Bände beinhaltete, handelt das dritte Album vom vierten Band. Daran ist schon erkennbar, dass ich im Gegensatz zum ersten Album weniger Charaktere ausgelassen und die Geschichte etwas genauer nacherzählt habe. Während des Schreibprozesses habe ich auch gemerkt, dass ich mit dem Band gar nicht auf einem Album fertig werde – daher habe ich beschlossen, das auf zwei Alben aufzuteilen. Das dritte Album wird also die zweite Hälfte von „Taran Wanderer“ behandeln und das Buch abschließen.

Trotzdem habe ich hier und da Kürzungen vorgenommen. Vor allem die Episode des Zusammentreffens mit dem Zauberer Morda habe ich komplett ausgelassen, da ich sie für die Geschichte als nicht notwendig empfand und außerdem nie besonders mochte. Das sind dann so die künstlerischen Freiheiten, die ich mir herausnehme.

1985 gab es bereits einen Film, der auf diesen Büchern basierte: „Taran und der Zauberkessel“ (The Black Cauldron). Ist dieser empfehlenswert, um sich mit der Materie zu befassen – oder sollte man lieber gleich zu den Büchern greifen?

Der Film ist im Grunde ein Spin Off, da die Geschichte mit den Büchern eigentlich kaum etwas zu tun hat. Ist ein schöner Kinderfilm, aber die Bücher sind definitiv empfehlenswerter. Witzigerweise kannte von den Sängern, die ich für das Projekt kontaktiert habe, keiner die Bücher, aber den Film hatten die meisten irgendwann mal gesehen.

Ein Projekt mit so vielen Gastsängern ist doch ein logistisch ziemlich aufwändiges Unterfangen. Wie behält man denn da den Überblick?

Tja das ist ein großes Puzzle, das da mit der Zeit zusammengesetzt wird. Das zieht sich auch üblicherweise über mehrere Jahre, bis alle Beteiligten dann ihre Parts aufgenommen haben. Wichtige Hilfsmittel sind jede Menge Notizzettel und Emails, die nie gelöscht werden, damit kann man den Überblick ganz gut behalten. Beim Mix ist das dann noch mal eine Extraherausforderung, vor allem bei elf verschiedenen Sängern, die alle unterschiedlich klingen und dann auch noch in unterschiedlichen Kombinationen miteinander singen. Da braucht man dann schon einen Produzenten, der sein Handwerk versteht.

Oft werden Lucid Dreaming als „Underground-Ayreon“ beschrieben, da die beteiligten Vokalisten aus kleinen Bands bzw. Bands stammen, die es unverdienterweise nie zu großem Ruhm gebracht haben.
Mal gemein gefragt: Würde Lucid Dreaming anders klingen, wenn du aus dem vollen Pool (aller möglichen Gäste) schöpfen könntest?

Wären Geld und Beziehungen kein Thema, würde ich sicherlich einige Sänger und Sängerinnen kontaktieren, die ich sehr verehre, die sich aber für ein eher kleines Projekt wie meins sonst nicht hergeben würden. Spontan einfallen würden mir da Rob Halford, Udo Dirkschneider, Ian Anderson, Blackie Lawless, Tarja Turunen und Loreena McKennitt. Wobei mir da die Anekdote einfällt, wie auch ein deutlich bekannterer Musiker wie Tobias Sammet von Herrn Lawless abgewatscht wurde wie ein kleiner Amateur, als der ihn für Avantasia haben wollte, hehe.

Allerdings bietet auch der Underground ein riesiges Potential an großartigen Stimmen, so dass ich überhaupt nicht das Gefühl habe, dass Lucid Dreaming nur ein groß aufgeblasener Plan B ist. Ich betone, dass ich von allen Sängern und Sängerinnen, die bislang bei Lucid Dreaming gesungen haben, selbst Fan bin und auch schon vor Lucid Dreaming Fan war. Und manche wie z. B. Jutta Weinhold oder BigBoss haben es durchaus zu größerem Ruhm gebracht, finde ich. Natürlich bin ich sehr stolz, dass ich diese Leute für Lucid Dreaming gewinnen konnte, aber auch die weniger Bekannten haben großartige Leistungen erbracht.

Es soll in der Zukunft noch weitere Alben geben und die Liste der Personen, die ich da gerne mal hätte und auch als realistisch ansehe, ist noch lang, da mache ich mir keinerlei Sorgen über die Qualität.

Vielen Dank für das kleine Interview, Till!

Ich habe für die Möglichkeit, Lucid Dreaming hier vorstellen zu dürfen, zu danken. Ebenfalls vielen Dank an alle, die sich das alles geduldig durchgelesen haben! Hört mal in das Album rein und wenn’s euch gefällt, kauft es, statt es illegal runter zu laden. Stay Metal!

(mk)

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