Ajana

Verfasst am 01. September 2015 von Michael Klein (Kategorie: Band Of The Month, Interviews) — 3.507 views

Wer vor einiger Zeit auf unsere Empfehlung gehört hat, sich „Home In Decay“ – das Debüt von Ajana – anzuhören, der wird sicherlich fasziniert ab Ball geblieben sein und sich nun auf „Dualismus?“ gefreut haben.
Wir unterhielten uns erneut mit Luise Markert, der kreativen Kraft hinter Ajana.

Ajana Logo

 

Metal-Aschaffenburg: Hi, Luise! Auch wenn du inzwischen ja eigentlich gar nicht mehr in der Region wohnst, ist es für uns natürlich Ehrensache dieses Interview zu führen.
Wohnst du noch in Freiburg?

Luise Markert: Das freut mich sehr! Ja, momentan wohne ich noch in Freiburg, in absehbarer Zeit steht mir aber wohl ein Umzug bevor.

Mein erster Eindruck von „Dualismus?“ war: Wow, das ist zum Teil ganz schön hart! Wolltest du mit Absicht mehr Härte erzeugen, um die Dynamik weiter zu vertiefen? („Profanation“ kracht stellenweise schon heftig!)

Ja, im Vergleich zu „Home In Decay“ ist „Dualismus?“ schon härter ausgefallen, was sich beim Prozess des Komponierens so ergeben hat. Ich plane hier nicht, sondern lasse mich von der Stimmung leiten, die den Songs zugrunde liegt. Dadurch wurde die Dynamik auf dem Album aber stärker vertieft, als es auf dem Debüt der Fall war.

Das Team hinter „Dualismus?“ ist das gleiche wie auch schon bei „Home In Decay“ (Simon Schillinger, Cornelius Heck, Christoph Brandes).
Das Material stammt trotzdem wieder zu 100 % von dir, richtig?

Das stimmt, es waren wieder dieselben Personen involviert wie beim Debüt. Simon hat die Gitarren eingespielt, Cornelius das Schlagzeug und den Bass und Christoph hat das Album in den Iguana Studios produziert und auch etwas Percussion eingespielt. Dieses Mal bin ich mit der Leistung aller Beteiligten auch wieder sehr zufrieden und das Album ist genau so geworden, wie ich mir das vorgestellt habe. Auch dieses Mal stammt das Material wieder 100 % von mir.

Auf welchem Instrument komponierst du denn? Und wie nimmst du die Songs und anderen Instrumente auf, bevor du ins Studio gehst?

Ich komponiere hauptsächlich auf dem Keyboard – dabei können sich die Ideen ganz unterschiedlich entwickeln, manchmal habe ich eine bestimmte Melodie oder ein Arrangement im Kopf, summe eine Gesangsmelodie oder ich improvisiere ein bisschen auf dem Keyboard oder Klavier und entwickle daraus einen Song. Zum Teil nehme ich auch Parts aus älteren Songs von mir auf und baue sie in neuere ein. Das Komponieren läuft also nie genau gleich ab. Bis der Song dann für die Aufnahmen steht, nehme ich noch ein paar kleine Änderungen vor und arbeite an Details. Das Ganze – also die komplette Partitur für ein Stück inklusive aller Instrumente –  programmiere ich dann in Guitar Pro und habe dann eine MIDI-Version des Songs. Die Dateien mit den vollständigen Arrangements habe ich dann an meine Gastmusiker weitergeleitet.
Die Songs, also alle Instrumente und den Gesang, habe ich sowohl bei „Dualismus?“ als auch bei „Home In Decay“ komplett in den Iguana Studios bei Freiburg aufgenommen. Dort wurden beide Alben auch gemixt und gemastert.

Ich finde „Dualismus?“ klingt auch deutlich besser als dein Debüt. Was habt ihr gemacht, um den Sound zu optimieren?

Das finde ich auch – der Sound der einzelnen Instrumente ist besser als auf dem Debüt. Die Gitarren klingen dreckiger und das Schlagzeug hat mehr „Wumms“, wenn man das so sagen will. Man hört einfach viel besser, wie kraftvoll Cornelius spielt. Auch bei den Samples hat sich einiges verbessert: auf dem Debüt habe ich mein Keyboard für Orgel-, Blechbläser-, Streicher-Sounds und vieles mehr genutzt, dieses Mal haben wir auf hochwertige Sound Libraries (Software) zurückgegriffen. Die Sounds klingen somit viel organischer und echter, auch wenn man die Spielweise eines echten Instruments, nehmen wir eine Geige, nie 100 % reproduzieren kann. Des Weiteren habe ich dieses Mal auch Flöten (Tin Whistle und Bambusflöte) live eingespielt und Christoph hat Percussion live eingespielt und wir mussten hier kaum auf Percussion-Samples zurückgreifen. Mix und Mastering heben auch jedes Instrument und den Gesang optimal hervor.

AjanaDualismus ist die Lehre von zwei Prinzipien, die sich ergänzen oder widersprechen. Auf Ajana übertragen könnte das viel bedeuten. Zum Beispiel die Verbindung/Kombination aus harter Musik und weichem Gesang. Melodie und Riffing. Weiten Spannungsbögen und rasenden Momenten.
Doch ich nehme an, dass „Dualismus?“ ein anderes textliches Konzept verfolgt.
Erzähle uns doch bitte ein bisschen über die Hintergründe des Albums!
Und warum eigentlich Dualismus mit einem „?“ dahinter?

Das hast du richtig erkannt, „Dualismus?“ verfolgt ein anderes textliches Konzept, ich werde versuchen, es möglichst kurz und anschaulich zu erklären. Das Intro „…et non descendit“ fasst die Kernideen des Textkonzepts recht gut zusammen. Ich werde den lateinischen Text kurz wiedergeben, hier die erste Idee: „Er steigt in den Fluss hinab und steigt nicht hinab“ (In flumen descendit et non descendit). Hier beziehe ich mich auf ein Zitat des römischen Philosophen Seneca aus seinen „Epistulae morales“, das ich ein bisschen abgewandelt habe. Er schreibt davon, dass wir Menschen in einen Fluss hinabsteigen und doch nicht hinabsteigen – man kann den „Fluss“ als den Fluss des Lebens oder des Todes ansehen. Leben und Tod stehen sich gegenüber, aber auch im Leben ist der Mensch mit den verschiedensten Dualismen konfrontiert. So ziemlich jeden Gedanken, jedes Prinzip und jedes Ding kann man von zwei Seiten aus betrachten – also über eine Sache nachdenken, bevor man mit Vehemenz „die eigene Wahrheit“ äußert und von dieser nicht mehr abweicht. Auf der anderen Seite ist eine reine Schwarz-Weiß-Malerei auch oft nicht angebracht, was man gemeinhin mit Dualismus in Verbindung bringen könnte. Deshalb auch das „?“ hinter „Dualismus“. Bestimmte Prinzipien müssen sich nicht zwangsweise widersprechen oder ergänzen, auch zwischen diesen beiden Extrempolen gibt es noch andere Farbschattierungen.
Auf der anderen Seite dann die Zeile „Abyssus abyssum invocat“ (aus „… et non descendit“), was übersetzt heißt, dass „ein Abgrund einen anderen hervorruft“. Das bezieht sich ganz allgemein auf schwierige und dunkle Zeiten im Leben, unschöne Dinge, die man erfahren und erleben muss. Immer neue „Abgründe“ scheinen sich vor einem aufzutun, auch wenn man denkt, dass die Situation so wie sie ist nicht schlimmer hätte sein können.
Und dann noch „Tempus antiquum repeteret“ (die Vergangenheit wiederholt sich, aus „… et non descendit“). Bestimmt jeder hat es schon einmal erlebt, wie sich bestimmte Situationen im Leben zu wiederholen scheinen, seien es angenehme oder weniger angenehme. Aber auch bestimmte Verhaltensmuster können sich, bewusst oder unbewusst, wiederholen. Man macht einen Fehler mehrmals oder wird von unterschiedlichen Personen auf dieselbe Weise behandelt.
Die drei lateinischen Sätze aus dem Intro „… et non descendit“ fassen die Grundideen des Konzepts ganz gut zusammen, jeder Text beschäftigt sich mehr oder weniger damit und behandelt verschiedene Aspekte. Das geschieht mal mehr oder weniger metaphorisch, dann wieder direkter. Die Texte sind wie alles bei Ajana eine extrem persönliche Angelegenheit und haben für mich einen nahezu kathartischen Effekt beim Schreiben und Singen.

Was befindet sich denn im „Yellow House“?

The Yellow House“, also das gelbe Haus, ist eine Metapher. Hier muss ich ziemlich weit ausholen. In einem Ort, in dem ich als Kind viel Zeit verbracht habe, stand ein altes Haus, das jeder das „gelbe Haus“ nannte – es wurde Ende der 90er-Jahre abgerissen, aber der Platz wird immer noch so genannt. Ich mochte dieses Bild. Im Song geht es um Paranoia, um Personen, die sich ständig völlig unbegründeterweise verfolgt und verraten fühlen und allem und jedem misstrauen. Es ist schwierig, zu Menschen durchzudringen, die so von „ihrer“ Wahrheit überzeugt sind und mit ihrem Verhalten anderen vor den Kopf stoßen und sich immer mehr und mehr in sich selbst zurückziehen. Bis zu einem Punkt, an dem es ihnen selbst nicht mehr klar ist, was richtig oder falsch ist oder was existiert und was nicht vorhanden ist. Wieder ein Dualismus.

Ajana Dualismus?Jeder Song wird im Booklet von einer kleinen Illustration ergänzt. Diese, wie auch das Artwork, sehen sehr selbstgemacht aus. Stammen sie auch von dir?

Das ist richtig. Sowohl die Gemälde für Front- und Backcover als auch die Zeichnungen und Handschriften im Booklet stammen von mir. Front- und Backcover beziehen sich auf die lateinische Textzeile der Stücke „… et non descendit“ und „Descending“: „In flumen descendit et non descendit.“ (zu Deutsch: „Er steigt in den Fluss hinab und steigt nicht hinab.“), die ich oben erklärt habe. Das habe ich bildlich dargestellt, auf dem Cover durch die Person, durch die der Fluss (der Fluss des Lebens?) hindurch fließt und auf dem Backcover durch mehrere Flüsse, also mehrere Lebenswege oder –geschichten. Für das Booklet-Layout habe ich mit Björn Köppler (Maladie, Tombthroat) zusammengearbeitet.

Ich finde, deine Stimme ähnelt der von Anne Nurmi (Lacrimosa) – hast du diesen Vergleich schon häufiger gehört?

Den Vergleich habe ich bisher nur in deinem Review zu „Home In Decay“ gelesen. Ich musste zunächst mal recherchieren, da ich gar nicht wusste, dass Lacrimosa auch eine Sängerin haben. Generell sind mir Vergleiche nicht besonders wichtig – ich versuche weder gesanglich noch mit meiner Musik, einem bestimmten Klangideal nachzueifern, sondern das auszudrücken, was ich fühle und was sich hinter der Musik verbirgt. Ich verstehe die Bands nicht, die auch noch stolz drauf sind, wenn sie exakt klingen wie Band X oder Y – da kann man auch gleich eine Coverband gründen, um den Idolen zu huldigen.

Ist denn absehbar, ob es Ajana in Zukunft auch mal auf eine Bühne schaffen werden?

Das ist nach wie vor ein Traum von mir, doch glaube ich nicht daran, dass es Ajana in absehbarer Zeit auf der Bühne geben wird. Dazu sind die Bedingungen für (unbekannte) Musik heute einfach zu schwierig geworden und es hat sich vieles geändert im Musikbusiness. Ich sage nur „Pay To Play“. Ich verstehe wirklich nicht, warum man sich als Band einkauft, nur, um dann damit prahlen zu können, schon mal mit dieser und jener Band oder auf diesem und jenem ach so bekannten Festival gespielt zu haben. Ganz davon abgesehen, dass man als unbekannter Künstler wohl nur selten ein gutes Angebot bekommt, bei dem man nicht drauflegen muss, ist es bei Ajana als Soloprojekt schwieriger als bei mancher „traditionellen“ Band: Ich müsste erst einmal ein komplettes Line-Up für Auftritte zusammenstellen, was auch als Band ohne Label oder vorhergegangene Gigs schwierig ist. Ich müsste die Musiker zahlen, einen Proberaum zahlen usw., schlicht unmöglich. Also sehe ich momentan leider keine Möglichkeit, mit Ajana auf die Bühne zu gehen.

Vielen Dank für das Interview!

Ich danke dir für das Interview und die Unterstützung! Alles Gute für Metal-Aschaffenburg!

(mk)

www.Ajana.Weebly.com

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