Lacrimosa – „Schattenspiel“
Verfasst am 07. Mai 2010 von Gringer (Kategorie: CD-Rezensionen) — 2.841 views
Glanzstück
Nach 20 Jahren Bandgeschichte, zehn Studio- und zwei Live-Alben wäre eine normale Best-Of durchaus gerechtfertigt und legitim. Aber das war Tilo Wolff und Anne Nurmi zu einfach. Er selbst sammelt Musik und sieht somit keinen großen Anreiz, sich die bereits besitzenden Stücke nochmals zuzulegen. Ich hätte mir zugegebenermaßen auch ein normales Best-Of gekauft, alleine weil das schon optisch immer ein Genuss ist. So würden wohl auch viele andere Lacrimosa-Fans handeln. Deshalb finde ich es umso engagierter, solch ein Album zu kreieren. Kein Schattenspiel – ein Glanzstück!
Wir haben hier einen Querschnitt durch 20 Jahre Bandgeschichte. 15 bislang unveröffentlichte Songs (auf so was ist jeder Fan scharf – egal, ob der Song gut ist oder nicht), als auch zwei neue Stücke.
Unter den 15 Unveröffentlichten sind wirklich nur fünf alte Songs in anderen Versionen – der Rest ist komplett unbekannt. Welcher Fan träumt nicht von so einem Paket? Wohl strukturiert beginnen wir im Jahr 1990 mit der Urversion von „Seele In Not“ und „Requiem“ des Albums „Angst“. Aufgrund der Übermotivation kommt hier etwas Ernüchterung, weil ich kaum merkliche Unterschiede zum originalen feststellen kann. Andererseits hätte ich das vielleicht auch schwer verkraftet – sind die alten Songs doch notengenau im Herzen abgespeichert.
Doch schon der dritte Song „Seelenübertritt“ bietet bis dato ungehörtes Material und fühlt sich deshalb sehr exklusiv an. Sehr düster und bedrückend, fast beängstigend. Da überrascht es einen, dass auch der folgende Song „Schuld und Sühne“ aus dem gleichen Jahr 1990 sein soll. Merkt man hier schon die Wurzeln von Snakeskin? Diese Seite hat Lacrimosa dann wohl länger unterdrückt. Krasser Song – und wer will nicht wissen, welcher Film hier rezitiert wird?
Dann folgt ein sehr schönes Instrumental – zumindest vermute ich das. Leider steht mir nur die Promo zur Verfügung, bei denen die Songs ausgeblendet werden. Das macht es bei Lacrimosa-Stücken z.T. sehr schwer, wenn man statt z.B. sieben Minuten nur in die Hälfte reinhören kann. Ich hoffe, dass mir dadurch das ein oder andere Stück nicht im falschen Licht erscheint. Aber ihr sollt die Platte ja sowieso kaufen – denn das Fazit kann ich auch nach der Hälfte zum Besten geben: Schmuckstück! Zulegen!
Nach dem vermuteten Instrumental kommt noch ein weiteres unbekanntes Stück: „Dem Ende entgegen“. Für mich ein typischer, alter Lacrimosa-Song, der es einfach nicht aufs Album geschafft hat. Charakteristisch für die Zeit der ersten drei Alben. Harmonisch einfügend kommt nun aus dieser Zeit das bekannte Stück „Schakal“ von „Inferno“. Obwohl „Schakal“ schon als Single herausgebracht wurde, wurde hier noch mal eine wunderbare Version draufgepackt. Das Intro beschert einem Gänsehaut, obwohl man den Song schon 16 Jahre kennt. Wahnsinn!
Vom gleichnamigen Album nun eine Piano-lastigere Version von „Vermächtnis der Sonne“ – sehr gefühlvoll, warm.
Im Anschluss machen wir mit „Ein Hauch von Menschlichkeit“ einen Sprung ins Jahr 2002 zum „Echos“-Album.
„Schattenspiel“ soll mit einem 32-seitigen Booklet ausgestattet sein. Darin will Tilo z.T. erklären, warum der Song entstanden ist. Genau das würde mich beim Song „Morgen“ interessieren. Entstanden sein soll er 2003 – hätte ich nicht getippt.
„Schönheit straft jedes Gefühl“ zeugt schon von Tilos unglaublicher Fähigkeit, imposante Klassiksongs schreiben zu können – dieser Song ist es aber erst ansatzweise. Dass er es perfektioniert, beweist er mit dem einem Jahr später erscheinendem Album „Elodia“. „Ein Fest für die Verlorenen“ hat es wohl nie auf ein Album geschafft, weil Lacrimosa sich nicht kopieren wollen und es hiermit irgendwie getan hätte.
„Mantiqor“ – Ein wunderbar klassischer Anfang, dann elektronisch durchsetzt – dem einen vielleicht zu fröhlich, für mich ein absoluter Hit.
„Der Verlust“ – Lacrimosas Stärke: Tanzbare Klassik mit Rock – sollte in der Disco laufen.
„Deja Vu“ – zu diesem Lied hätte ich gern in meiner Jugend um meine erste große Liebe getrauert.
Kommen wir zum Ende und somit in die Jetztzeit. Laut „Sellador“ „gibt es mehr zu sehen“ – das hoffen wir! Auf noch mehr erfrischendes Material, schockierende Songs in Richtung „Sellador“ und Stücke mit gewohnt überragender Qualität wie das ebenfalls neue Stück „Ohne dich ist alles nichts“. Das ist sehr weit gegriffen, aber auf jeden Fall wäre vieles anders gewesen.
Danke für die 15 Jahre in meinem Leben und Glückwunsch zu 20 Jahren hervorragender Schaffenskraft! (lkb)
Bewertung: 13/15 Punkte
Genre: Gothic
Herkunft: Schweiz
Label: Hall Of Semon
Veröffentlichungsdatum: 07.05.2010
Homepage: www.Lacrimosa.com
Tracklist
- Seele in Not (Urversion)
- Requiem (Urversion)
- Seelenübertritt
- Schuld und Sühne
- Dreht Euch
- Dem Ende entgegen
- Schakal (Urversion)
- Vermächtnis der Sonne (Urversion)
- Copycat (Extended Version)
- Ein Hauch von Menschlichkeit (Late Night Remix)
- Morgen
- Schönheit straft jedes Gefühl
- Ein Fest für die Verlorenen
- Mantiquor
- Der Verlust
- Déjà vu
- Sellador
- Ohne Dich ist alles nichts
Tags: Lacrimosa, Schattenspiel
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