Segel setzen!

Verfasst am 08. April 2010 von Michael Klein (Kategorie: Konzert-Rezensionen) — 2.051 views

„Set Sail To Mystery“-Tour | Mit: The Vision Bleak, Alcest, :Fjoergyn:, Wolves Of Woden

05.04.2010 – Posthalle, Würzburg

Der Ostermontag scheint ein guter Konzerttermin zu sein. Denn obwohl sicher die Mehrheit der Besucher am nächsten Tag wieder dem täglichen Broterwerb frönen muss, haben sich etwa 250 Schwarzgekleidete in der Würzburger Posthalle eingefunden.
Diese entpuppt sich als riesige, mit Vorhängen abgetrennte Halle (in der sonst locker 1000 Leute Platz finden können) mit gemütlicher Atmosphäre. Die Schwierigkeiten bei der Beschallung einer so riesigen Location merkt man im Laufe des Abends kaum. Fast jede Band hat einen guten, differenzierten Sound. Einzig der (unverstärkte) Applaus verliert sich manchmal in den Tiefen des Raumes und hört sich viel dünner an als er eigentlich ist. Denn Jubel gibt es mehr als genug.

Allerdings noch nicht beim lokalen Support und Opener Wolves Of Woden. Das Quintett hat zwar einige ganz gute Ideen, die passabel (wenn auch etwas holprig) umgesetzt werden. Doch jeder vernünftige Ansatz wird von der wackligen, verkrampften Stimme von Sängerin Debby gnadenlos zersungen. Das seltsame Stageacting (Bangversuche oder schamanistischer Paarungstanz?) hinterlässt bei allen, die noch nicht zum Merchandise-Stand oder an die Biertheke geflüchtet sind nur noch mehr Fragezeichen in den Gesichtern. Selbst die Mitmusiker wirken seltsam beschämt. Einziger Lichtblick sind die Grunts im letzten Stück, für die sich Bassist (und Apokrypha-Sänger) Andy verantwortlich zeigt. Schnell den Kopf löschen – und weiter geht’s.

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:Fjoergyn: sind da schon ein ganz anderes Kaliber. Der dynamische, vielschichtige, deutsch gesungene Metal profitiert enorm vom klaren Sound. So kann neben den schwarzmetallischen Ausbrüchen auch jedes Flüstern gut hörbar wahrgenommen werden. Das Quartett erinnert in den härteren, stärker orchestrierten Passagen oft an die österreichischen Kollegen von Hollenthon – in ruhigeren Momenten hingegen eher an Dornenreich oder (auch wenn sie das wahrscheinlich nicht so gerne hören) an gotische Verwandte wie Goethes Erben oder Samsas Traum.
Auch wenn das Publikum recht zurückhaltend agiert, kommt die Band ganz gut an und kann den Auftritt als Erfolg verbuchen.

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Das schicke Logo mitsamt dem genialen Artwork des aktuellen Silberlings „Ècailles de Lune“ hat die französische Band (bzw. das Soloprojekt des Gitarristen und Sängers Neige) Alcest auf Anhieb auf mein Musikradar gebracht. Und die dicht gedrängte Menge vor der Bühne beweist, dass ich nicht der einzige bin, der gespannt auf das Quartett wartet. Ich gehe jede Wette ein, dass es nicht lange dauert, bis Alcest den Sprung vom Insider-Tipp in die Oberliga vornimmt. Denn die folgende Stunde Musik sorgt für eine Masse an offenen Mündern. Da jeder Beschreibungsversuch schon im Ansatz scheitert, sollte sich jeder unbedingt selbst ein Bild von der faszinierenden, einnehmenden und völlig eigenständigen Klangwelt der Franzosen machen. Solche Bilder habe ich bei einem Metal-Konzert noch nie vor meinem inneren Auge gehabt! Das ist ganz groß!

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Ein „besser oder schlechter als“ gibt es im Anschluss nicht. The Vision Bleak sind musikalisch vollkommen anders gelagert und werden von den Anwesenden begeistert empfangen. Das Quintett um die beiden Köpfe Schwadorf und Konstanz nimmt die Meute im Sturm und feuert einen Kracher nach dem anderen ab. „Carpathia“, „Kutulu!“, „By Our Brotherhood With Seth“ oder das neue, grandiose „A Romance With The Grave“ – an Hits mangelt es der starken Live-Band nicht. Darüberhinaus zeigt sich der Fünfer gewohnt bewegungs-, spielfreudig und macht optisch einfach was her. Nicht-Kenner wundern sich über den hohen Härtegrad der Songs. Die fiesen Riffs und teils harschen Vocals werden von den meisten auf Platte gar nicht wahrgenommen – auf der Bühne entwickelt sich die Stücke jedoch zu brachialen Nackenbrechern. Dauerbangen ist angesagt! Drummer Thelemnar (Secrets Of The Moon) peitscht diese noch härter voran und beweist, dass sich Schlagzeugspiel und Rotorbangen nicht ausschließen.
Ein (wie erwartet) erneut sehr starker Auftritt und der Abschluss eines starken Tourpakets. (mk)

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