Leprous – „Meliora

Verfasst am 01. September 2017 von Michael Klein (Kategorie: CD-Rezensionen) — 1.701 views

Wenn ein neues Album auf den Markt kommt, wird viel versprochen. Egal ob sich angeblich „die Band neu erfunden hat“, „die Musiker neue Pfade entdecken“ oder im Falle von „Malina“ „ein neuer imaginativer Kompositionsstil“ gefunden wurde: es wird fleißig mit musikalischer Entwicklung geworben. Meistens hat sich jedoch das stilistische, technische und klangliche Level einer Band dann nur ein bisschen verändert, gerade genug, um Neues zu liefern und sich dennoch selbst treu zu bleiben.

Ich verrate schon soviel: Bei Leprous treffen die Versprechen zu. Der Sound hat sich seit ihrem 2015er Album „The Congregation tatsächlich stark verändert. Leider. Meinen Geschmack treffen die Norweger nur bedingt. Nachdem ich mich persönlich schon sehr auf dieses Album gefreut hatte, muss ich zunächst meiner Enttäuschung Luft machen.

Konnte man vor zwei Jahren die Band noch auch härteren Proggern ans Herz legen, wirkt der neue Stil weichgespült.
Die knackigen, metalligen Riffs und markanten Grooves wurden vor allem durch lange getragene Keyboardpassagen ersetzt. Der Gesang ist erstaunlich eindimensional und wird damit zu einer echten Geschmacksfrage. Hier vermisse ich die Vielfalt und auch die rockigen Ausbrüche von Einar Solberg, der vor allem mit weinerlichem, emotionalem Ausdruck selbst bei den rockigen Grooves auffällt. Wo früher mit der dünnen Linie zwischen Rock und Metal abwechslungsreich gespielt wurde, klingt heute das halbe Album wie ein U2-Postrock-Cover.

Es gibt natürlich auch einiges Positives zu berichten. Mit „Stuck“ wird ein ordentlicher Ohrwurm geliefert, der problemlos im Rock-Radio laufen könnte. Ähnlich ins Ohr geht „From The Flame“, bei dem der Refrain mit einem hämmernden Keyboardriff gut vorbereitet wird, um dann ins Rockige auszubrechen. Die metrischen und rhythmischen Finessen in „Captive“ und „Illuminate“ sind definitiv ein geniales Intermezzo zwischen den sonst eher geradlinigen Tracks. Spannend sind die musikalischen Themen, die sich durch „Malina“ und „The Last Milestone“ ziehen. Die Melodie wird in beiden Songs durch das Keyboard im Streicher-Klang aufgegriffen und ganz ähnlich verarbeitet. Trotz neuem Rhythmus und Tempo ist die Melodie sofort wiedererkennbar. In diesen Songs erinnert der Stil ein bisschen an ein Kunstlied aus der Klassik. Leider bleiben die Songs dominiert von endlosen atmosphärischen Keyboardsounds mit viel zu wenig Schlagzeug, Bass und Gitarre. Schade, denn Leprous waren bisher am stärksten in den Grooves der Gitarren und in der Rhythmusfraktion. Die Verknüpfung von beiden Stilelementen verspräche einen interessanten musikalischen Dialog.

Technisch und handwerklich ist das Album erstklassig aufgenommen und produziert. Die Rhythmen von Baard Kolstad am Schlagzeug mit den gekonnten Basslinien von Simen Børven ziehen sich durch das Album und entschädigen an vielen Stellen für den zu dominanten Gesang, der dem Stil einen dauerhaft melancholischen Anstrich verleiht.

Ich hoffe, dass ich auch beim nächsten Album wieder mit einer Ankündigung der musikalischen Weiterentwicklung geködert werde. Die Musiker von Leprous sollen weiterhin neue Pfade beschreiten. Bitte dann wieder mit ordentlich Power!

Fazit:
Nachdem das hier ein Metal-Forum ist, gibt es nur 9 von 15 Sternen. Melancholische Prog-Rock-Hörer dürfen das Album auf Dauerschleife legen. Für Metaler eher nichts. (seb)

 


Bewertung: 9/15 Punkte
Genre: Prog/Rock
Herkunft: Norwegen
Label: Inside Out Records
Veröffentlichungsdatum: 25.09.2017
Homepage: www.Leprous.net

Tracklist

  1. Bonneville
  2. Stuck
  3. From The Flame
  4. Captive
  5. Illuminate
  6. Leashes
  7. Mirage
  8. Malina
  9. Coma
  10. The Weight Of Disaster
  11. The Last Milestone


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