Heft-iger Untergrund

Verfasst am 27. Oktober 2010 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 5.996 views

Fanzine-Special

Rock Hard, Metal Hammer und Legacy – das sind die Namen von Magazinen, die so ziemlich jeder Metaller schon einmal gehört (und sicher auch gelesen) hat.
Wer neben diesen drei Großen (und den etlichen kleineren) nach alternativer Lektüre sucht, der wird schnell auf das ein oder andere Fanzine stoßen.
Im Gegensatz zu den auflagenstarken Big Playern, die sich fast ausschließlich mit den ohnehin schon bekannten Namen im Metal-Biz beschäftigen, kann man in den kleinen, liebevoll hergestellten Fanzines deutlich tiefer in die Materie eintauchen und neben angesagten Stars eben auch etwas über die kleinen Bands – den Underground – lesen.

Mit dem „From The Underground“, dem „Totentanz“ und dem „Way Up“ sind gleich drei der wichtigsten (und besten!) deutschen Fanzines in unserer Region verwurzelt.

Fanzines

Metal-Aschaffenburg brachte die Chefredakteure und Macher der drei Fanzines in die ungewohnte Situation, für ein Interview die Seiten zu tauschen und sich selbst ins Kreuzverhör zu begeben.

Wer also schon immer mal wissen wollte, was alles hinter einem solchen Fanzine steckt, der sollte jetzt gut aufpassen…

Metal-Aschaffenburg: Arno, wie kommt man denn überhaupt auf die Idee, ein Fanzine zu gründen?

Arno Bretträger (Totentanz): Ich hab mir damals (also Mitte der 80er) selbst viele Fanzines wie Blitzkrieg, Shockpower oder Mega Mosh gekauft und starken Gefallen an dieser „Homemade“-Variante gefunden. Da kam man halt irgendwie auf die Idee, so was selbst mal zu versuchen.
Die Totentanz-Vorläufer hießen Deathfriend und Massacra (beides Hellhammer-Songtitel) und erschienen in einer Auflage von 20-30 Exemplaren in der Zeit von 1985-1988. Da war an Bemusterung von Plattenfirmen noch nicht zu denken. 1988 wollten wir es dann einen Tick professioneller machen und begannen Plattenfirmen und Bands anzuhauen. Da kam dann auch Feedback. Die erste LP die wir zum Reviewen bekamen war „Mission Executed“ von den belgischen Thrashern Target.
Damals führten wir auch ein Interview per Briefpost nach Brasillien. Sepultura hießen die Jungspunde und ihr Fronter Max schickte nette Proberaumfotos mit, haha.
Den Namen Totentanz klauten wir vom Coroner-Debütalbum „R.I.P.“. Der letzte Track dieser genialen Scheibe heißt nämlich so.
Nr. 1 kam dann im März 1988 heraus – mit Voivod aufm Cover. Wir waren stolz wie Oscar, haha.

Denis, Marco – Was hat euch dazu gebracht, ein Fanzine auf die Beine zu stellen?

Way Up

Way Up Nr. 36

Denis Hedzet (Way Up): Das Interesse, mich als Journalist zu versuchen, wurde durch Bekannte, die schon in der Szene tätig waren und damals für das Offenbacher „Hard & Heavy Express“ schrieben, geweckt. Irgendwann 1991 wurde dann das PUMP-Magazin (1991-1992, zwei Ausgaben) gegründet und ich mit ins Boot geholt, als Fotograf und als Schreiber.
Enttäuscht von meinen damaligen Mitarbeitern wollte ich meine geschriebenen und layouteten Texte trotzdem irgendwie an den Mann bringen. Als dann abzusehen war, das es beim PUMP nicht mehr voranging, habe ich kurzerhand das Way Up ins Leben gerufen und Ausgabe Nr.1 im März 1993 veröffentlicht

Marco Korn (From The Underground): Nun, ich schrieb damals ja schon für das Way Up und bekam dadurch auch einiges an Eigenpressungen und Demos – die Bands hatten aber aufgrund der schon damals (1999) massiven Veröffentlichungsflut kaum eine Plattform im Way Up (wie auch anderen Fanzines). Ähnlich erging es Hansy beim Totentanz. Eines Abends im Hannebambel in Aschaffenburg sprachen Hansy und ich über diese Situation und mussten feststellen, wie gut manche dieser Underdogs einfach waren. Drei oder vier Bierchen später war die Idee geboren, gemeinsam ein Fanzine zu machen (vor ein paar Jahren hat sich Hansy allerdings aus Zeitgründen ausgeklinkt), dass sich hauptsächlich diesen Underground-Bands, also Bands ohne Plattenvertrag oder mit einem Deal bei einem kleinen Label, widmen sollte. Deshalb hatte ich auch gleich den passenden Namen parat – der kam mir praktisch zugeflogen.
Für das Layout hatten wir damals auch schnell jemanden gefunden, für Photos war meine damalige Freundin/jetzige Frau wegen ihrer „Fotografier-Sucht“ ohnehin prädestiniert und den From-The-Underground-Schriftzug durfte dann Freund Zappa (könnten einige von der Band Cervet kennen) entwerfen.
Die erste Ausgabe erschien Anfang 2000, danach in unregelmäßigen Abständen. Nach einer kleinen Frustpause von ca. 1 ½ Jahren nach Ausgabe 10 erscheint das Heft jetzt halbjährlich. Schneller ist leider nicht drin, dann würde nämlich das Hobby zum Stress, und es soll Hobby für mich bleiben.

Wo bekommt man die Magazine denn und wie oft erscheinen die Hefte?

Arno Bretträger (Totentanz): Das Totentanz erhält man z.B. im Echobeat (A’burg) oder Comeback (Darmstadt). Genaues steht auf unserer Page unter „Magazin“.
Es erscheint ein Mal im Jahr. Mehr ist zeitlich nicht drin. Aber die Homepage wird wöchentlich aktualisiert und ist mittlerweile unser zweites Standbein.

Marco Korn (From The Underground): Erhältlich ist das Heft hauptsächlich bei einigen Underground-Händlern: Helles Underground Power, MDD und Rainer Krukenberg (www.Metaleros.de). Auf den einschlägigen Classic-Metal-Festivals wie Keep It True, Swordbrothers, Hammer Of Doom, Metal Assault, Headbangers Open Air oder Hard ’n ‚Heavy’s Summernight stehe ich u.U. schon mal wie die Zeugen Jehovas rum und versuche, die Hefte direkt an den Mann zu bringen. Ansonsten kann man auch per Email (FTU@Metalmafia.de bzw. über meine MySpace-Seite) bestellen, und in meiner Stammkneipe Sam’s kann man das Heft auch erwerben.

Denis Hedzet (Way Up): Erscheinen soll das Way Up dreimal im Jahr, aber wenn es nur zweimal kommt, ist das auch okay. Als wir noch jung und frisch waren, haben wir sogar vier Hefte im Jahr geschafft, aber mittlerweile sind private Dinge wichtiger geworden und die finanzielle  Unterstützung seitens der Industrie bei +/- null angelangt. Daher ist der einzige Druck dieser, dass ich nicht mehr ganz veraltete Interviews bringen möchte und deswegen setzte ich unseren Mitarbeitern eher kurzfristige Deadlines, wenn ich absehen kann, dass ich ca. 60 Seiten zusammen habe. Die Ausgaben lege ich zwar auch noch in diversen CD-Läden rund um Offenbach aus, aber mittlerweile geht auch sehr viel über Mailorder. Bestellen kann man das aktuelle Heft und auch noch ältere Ausgaben über unsere Homepage.

Marco, du hast schon erwähnt, dass du mit deinem Fanzine hauptsächlich Bands ohne Plattenvertrag eine Plattform bieten wolltest. Liegt dort auch der Schwerpunkt des Magazins?

Marco Korn (From The Underground): Ja, zunächst sollte die Band mehr oder weniger Underground sein. Ansonsten spiegeln die Interviews der im Heft vertretenen Bands die Geschmäcker aller Beteiligten. Bis auf einige Ausnahmen (Schreiberlingen/Kumpels von anderen Magazinen wie z.B. Totentanz oder Metal Maniac/Italien) sind das im Moment bei Interviews ja der Thomas und ich.
Im Klartext: Während in den Reviews wohl alle Rock-/Metal-Spielarten berücksichtigt werden, begrenzen Thomas‘ und mein Geschmack die Auswahl der in Interviews gefeaturten Bands. Und da wären wir hauptsächlich bei Hard Rock, dem klassischen Heavy Metal, Power Metal (dann aber am liebsten die Nordamerika-Variante, den eher schwülstigen Europa-Metal nicht so sehr), Speed Metal, Thrash Metal, Doom Metal (auch Stoner) und Prog Rock/Metal. Gaaaanz selten, aber nicht auszuschließen, wäre da noch der Death Metal. Und „innerhalb“ dieser Grenzen versuchen wir, die Bands mit Fragen zu nerven, die gerade präsent oder über die mal wieder gestolpert und wir natürlich interessant, aufregend oder genial finden.

Arno, Denis. Habt ihr spezielle thematische Schwerpunkte?

Arno Bretträger (Totentanz): Metal von A-Z. Egal ob Melodic Hardrock oder wütender Goregrind. Im Totentanz ist quasi für alles Platz. Wir hatten sogar mal Joachim Witt oder Frank Zander, haha.
Bis Auf AC/DC und Kiss haben wir so ziemlich alles was Rang und Namen hat bereits interviewt. Aber auch die kleinen Bands liegen uns am Herzen. Wir haben ja selbst einige Musiker im Team (Leute von Bösedeath, Tyrax, Cervet, Elvenpath, Ex-Abandoned, etc.) und haben in der Vergangenheit auch schon öfter Konzerte mit Underground Acts organisiert.

Denis Hedzet (Way Up): Im Way Up findet man alles, was mir und meinen Schreibern gefällt, plus einige Features, die gut ins Heft passen. Wir haben von Rock, Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Thrash, Death, Nu Metal zum Teil Hardcore bis hin zu Black Metal und noch die Schubladen dazwischen im Heft. Alles wohl dosiert, wobei schon Power Metal, traditioneller Metal und Thrash dominieren. Ich persönlich finde die Vielfalt und Abwechslung gut und der Leser entdeckt vielleicht ab und an eine Band für sich, auf die er z.B. in einem reinen Death-/Black-Metal-Fanzine nicht gefunden hätte.

Was waren denn eure bisherigen Highlights in der Hefthistorie?

Denis Hedzet (Way Up): Da gab es einige! Ich bin z.B. richtig glücklich, dass es schon im ersten Heft Interviews mit Steve Harris von Iron Maiden, Doro und The Almighty (damals meine absoluten Faves) plus Titelstory zustande gekommen sind.
Aber richtig los ging es ab Ausgabe Nr. 5 (Motörhead (Titel), Slayer, Annihilator, Mercyful Fate, Joan Jett u.v.a.). Ausgabe Nr. 6, dem ersten mit Farbcover (W.A.S.P. (Titel), Black Sabbath, Overkill u.v.a).
Besonders Interviews mit den Bands, auf die ich schon als Schüler stand, bin ich besonders stolz, wie Slayer, Motörhead, Iron Maiden, Megadeth, Overkill und W.A.S.P, die allesamt schon öfters im Heft enthalten waren. Die Malice-Story aus Ausgabe Nr. 30 oder vor allem Ausgabe Nr. 25 mit Alice Cooper liegen mir sehr am Herzen. Zuletzt natürlich das Triple-Thrash-Special, welches in den Ausgaben Nr. 33, 34 und 35 zu finden war und gut 90% der relevanten Szene-Bands beinhaltete und noch etliche Newcomer präsentierten.

Marco Korn (From The Underground): Highlights? Ja, das ändert sich von Ausgabe zu Ausgabe, aber wenn man wirklich von den großen Momenten verbunden mit dem Heft sprechen will, dann wären da zum einen, dass wir vom From The Underground das Sam’s Open Air unterstützt haben, ich mit einer meiner absoluten Lieblingsbands Omen eine Titelstory führen konnte und wir zur Listening-Session zum neuen Metal-Inquisitor-Album nach Koblenz eingeladen waren.
Absolutes Highlight ist jedoch die Tatsache, dass aus vielen Lesern gute Freude geworden sind, die wir immer wieder auf Festivals oder Konzerten treffen. Das kann man mit keinem Geld bezahlen. Wer weiß, ob ich diese Leute auch ohne das From The Underground kennen gelernt hätte.

Arno Bretträger (Totentanz): Och, im Grunde ist jedes Mal wenn endlich eine neue Ausgabe fertig ist ein Highlight, hihi. In der Vergangenheit sicher die erste Ausgabe, die mit PC gelayoutet wurde (Nr. 7) und natürlich als wir das erste Farbcover bei Nr. 10 hatten. Schön ist es natürlich auch, wenn man woanders unserem Zine ein gutes Review gibt oder wenn generell positives Feedback kommt.
Für mich persönlich war es ein Highlight Leute wie Cronos, Tom Warrior, Chuck Schuldiner, King Diamond, Ozzy, Lemmy, Rob Halford, Bruce Dickinson, Kerry King, Jason Newsted oder natürlich auch Quorthon interviewen zu können.

Wie muss man sich die Erstellung eines Magazins vorstellen? Welche arbeiten fallen dabei an? Macht ihr alles alleine oder habt ihr bei der Erstellung der Ausgaben Unterstützung?

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From The Underground Nr. 16

Marco Korn (From The Underground): Im Grunde bin ich Kopf und Motor des FTU. Thomas und ich machen in der Regel alle Interviews, die Live-Reviews (bis auf kleine Ergänzungen) stammen von mir, bei den CD-/Vinyl-Reviews erhalten Thomas und ich von Fall zu Fall Unterstützung von Freunden. Manchmal hilft man sich unter den befreundeten Magazinen, Way Up und Totentanz, auch mal aus (Interviews, Live-Reviews, Photos). Ich kümmere mich noch um die Anzeigenschaltung, bin der Layouter, kümmere mich um den Druck, usw. Photos macht Tanja, meine Frau, und die restlichen Photos (sowie die Logos) erhalte ich von den Bands oder Labels.
Tja, was fällt bei der Erstellung eines Magazins so an? Nun ja, die Interviewanfragen rausschicken oder auf eine Interviewanfrage seitens einer Band oder Labels positiv/negativ antworten, nachhaken, ggf. noch mal nachhaken, erhaltenes Interview übersetzen/korrigieren, nach Bildern/Logos schauen. Vorher vielleicht noch Gedanken über Titelstory und VÖ machen. CDs/Vinyl-Scheiben durchhören, Reviews schreiben. Festival-/Konzertberichte zusammenschreiben, Bilder raussuchen (Tanja macht von einem Festival-Wochenende gerne mal 400-500 Bilder). Die Mitarbeiter an die Deadline erinnern, alle Daten zusammentragen, die Mitarbeiter an die Deadline erinnern, Interviews/Live-Berichte/Reviews/Cover layouten, die Mitarbeiter an die Deadline erinnern, Probedrucke, Korrekturen, Daten zum Drucker geben und Hefte vom Drucker holen. Und wenn ein Druck dann doch anders aussieht, also schlechter als die zur Probe gedruckten Seiten, ordentlich ärgern. Haha.
Der Layout-Zeitaufwand pro Interview ist extrem unterschiedlich, abhängig von Geschick, Einfällen, Textlänge und Bildmaterial; 30 Minuten bis 3 Stunden pro Interview sind durchaus mal drin.

Arno Bretträger (Totentanz): Wir haben ja etliche Schreiber, der neueste dürfte dir auch bekannt sein, haha (Arno meint mich; (mk)). Die Page macht unser eifriger Paule aus dem Raum Dresden und das Heftlayout unsere liebe Elvira, für die ich hier mal Werbung machen will! Checkt mal ihre Page unter www.GoodGraphics.de. Wenn ihr Flyer, Bilder oder Layout braucht, ist sie die Richtige! Es ist natürlich etliche Arbeit ein neues Heft zu machen, vom Schreiben, Organisieren bis hin zum Layouten. Das dauert seine Zeit, da es ja nur ein Hobby ist.

Denis Hedzet (Way Up): Es wird soweit alles „im Haus“ gemacht. Layout, einige Fotos (Livebilder fast zu 100%) und die nötige Organisation um ein Heft herum mache ich, zu den Schreibertätigkeiten noch dabei…. Von „extern“ gibt es die üblichen Pressefotos. Arbeit ist das natürlich sehr viel und schon fast mit einem richtigen Job zu vergleichen. Ich kann das auch nur machen, weil meine Familie mitzieht und mein Job/Schichtdienst die nötige Freizeit unter der Woche ermöglicht.

Spätestens jetzt müsste jedem klar sein, dass hinter solch einem Magazin unglaublich viel Arbeit steckt. Was motiviert euch, diese jedes Mal wieder aufzunehmen?

Marco Korn (From The Underground): Gute Frage! Ich hatte ja schon erwähnt, dass es da mal eine Auszeit gab und eigentlich war es keine Auszeit, ich hatte vielmehr aufgehört. Das hatte mehrere Gründe – es war viel schiefgelaufen, es wurde mir zu viel, ich war ausgebrannt.
Doch nach einiger Zeit merkte ich, dass mir die Arbeit damals beim Way Up doch nicht genug war. Ich vermisste die hungrigen noch wilden Bands, eben die Frische der Underground-Acts. Meine Frau merkte das auch und stachelte mich dann auch wieder an. Und dann kamen dann noch die Nachfragen seitens etlicher Stammleser und einiger schreibender Kollegen. Ja, das gab mir dann wieder den Willen noch mal durchzustarten, was dann mit Ausgabe 11 auch geschah.
Und wenn es ab und zu mal wieder zu viel wird und ich mir denke „Wozu mache ich das eigentlich?“, dann bauen mich die Gespräche mit unseren Lesern, das Ungestüme junger/neuer Bands oder die guten Kritiken in Magazinen wie Rock Hard oder Heavy wieder auf. Im Grunde ist es die Liebe zur Underground-Szene – da findet man wieder mal eine unbekannte Band, die man so gut findet, dass einfach der Versuch unternommen werden muss, diese Band anderen Metal-Fans näher zu bringen, indem man sie im From The Underground präsentiert.

Arno Bretträger (Totentanz): Der Spaß an der Sache und die Tatsache, dass immer noch geile CDs erscheinen.
Klar, früher war alles besser und so, aber es kommen auch heute noch fantastische Sachen raus (z.B. Triptykon, Accept, While Heaven Wept, usw.). Da macht es einfach Spaß, dabei zu sein. Früher war natürlich auch die Bemusterung mit all den schönen CDs ein Grund (aber nicht der einzige!), doch seit dem die Plattenfirmen nur noch per Download bemustern und Gästelistenplätze auch immer schwerer zu ergattern sind, sind diese „Vorzüge“ kein Argument mehr.

Denis Hedzet (Way Up): Ich kenne das ja schon fast nicht mehr anders und nach der Veröffentlichung ist vor der Veröffentlichung. Ich denke immer noch: Wie sind die Musiker, wenn sie nicht auf der Bühne sind? Und es geht immer noch darum, viele Antworten auf Fragen zu erhalten, die man nicht überall liest.

Totentanz

Totentanz Nr. 23

Rechnet sich der Aufwand für ein Fanzine eigentlich? Wie finanziert ihr ein solches Vorhaben?

Arno Bretträger (Totentanz): Na ja, man bekommt die Musik ja quasi schon noch „for free“ und kann größtenteils Gigs umsonst besuchen, das ist dann schon eine Art Wiedergutmachung für die Zeit, die man rein steckt. Ein Printheft zu machen ist ohne Anzeigen fast unmöglich. Jedenfalls ist das beim Totentanz so. Wir brauchen die Werbung um die Kopierkosten zu decken. Leider wird das mit der Werbung auch immer schwerer, da die Firmen alle jammern und kaum noch Budget für so was haben. Ist schon manchmal seltsam, wenn eine fette Firma ablehnt und eine kleine, ums Überleben kämpfende Company was schaltet. Vielleicht sollten wir uns Anzeigen aus der Porno- oder Heimwerkerbranche besorgen, haha.

Denis Hedzet (Way Up): Aus ideeller Sicht auf jeden Fall, aus finanzieller – nein, da kommt dann wieder mein Schichtdienst zum Zuge.

Marco Korn (From The Underground): Der Aufwand sich rechnen? Nö! Die Finanzierung eines jeden neuen Heftes erfolgt durch den erzielten Erlös des letzten Heftes. Im Grunde ist das From The Underground … ein „Drauflege-Geschäft“. Der Verkaufspreis deckt mehr oder weniger die Druckkosten, Anzeigen haben wir so gut wie keine, und wenn verlange ich nicht viel dafür. Die meisten CDs/Platten, die besprochen werden, kaufen wir uns ja auch selbst, aber das kann man sowieso nicht dazurechnen, denn die würden wir uns ohnehin kaufen. Okay, man spart bei einigen größeren Veranstaltungen den Eintrittspreis, aber ans Verdienen ist mit dem Heft nicht zu denken, die Kostendeckung passt aber, wenn ich die meisten Hefte verkaufen kann.
Es ist eben ein Hobby, andere stecken ihre sauer verdiente Kohle ins Auto, in Instrumente, in Computer, usw. – ich einen Teil davon ins Heft, der größere Teil wird sowieso in CDs/Vinyl/Konzerte investiert. Das FTU ruiniert mich nicht, aber wer Geld verdienen will, sollte sich da ’ne andere Quelle suchen. Man könnte natürlich den Heftpreis erhöhen…

Gibt es Storys oder Interviews, an die ihr euch besonders gerne erinnert?

Arno Bretträger (Totentanz): Puhhh, da gibt’s viele! Auf dem Clash Of The Titans in Mainz hat uns Slayers Kerry King mal mit Pommes beworfen, weil wir einen McDonald’s-Witz machten. Dark Angels Drum-Tier Gene Hoglan hat uns Backstage in Frankfurt im Liegen auf einer Pritsche geantwortet, Napalm Deaths Barney in meinem Opel Rekord (R.I.P.) und Frost von Satyricon saß uns fünf Minuten (!) nach einem Dynamo-Auftritt schweißgebadet und voller verschmiertem Corpsepaint gegenüber.
Es gibt auch Gerüchte, dass ich in Nicko McBrains Hotelzimmer bei einer Iron-Maiden-Pressekonferenz mal aufs Klo musste….aber ich glaube, das hat unser guter Hansy nur geträumt, haha. Mehr sag ich dazu nicht!
Ein Telefonat mit Rockbitch war seinerzeit auch sehr… „ab 18“. Haha. Im Keller des winzigen Clubs „Negativ“ in Frankfurt hab‘ ich mal Justin von Godflesh interviewt und war hinterher völlig bedröhnt, nur vom Atmen…

Marco Korn (From The Underground): Oh ja! Blitzkrieg war so ein Interview, an das ich mich gerne zurückerinnere: Wir waren auf dem Headbangers Open Air und sehen gerade, wie Blitzkrieg aus dem Hotel aufs Gelände gekarrt wurden. Und was macht der Sänger und Bandkopf Brian Ross? Er geht erst mal zu den CD-Ständen und wühlt. El Rojo von Metal Inquisitor meinte nur, dass Brian halt auch noch Fan sei. Daraufhin entschloss ich mich, fürs Heft ein Interview mit ihm zu machen und da ich gänzlich unvorbereitet war, schnappte ich mir noch El Rojo und Metal-Inquisitor-Gitarrist Blumi zur Verstärkung. Das Interview dann war total cool und unverkrampft. Keine Ahnung, wie lange wir vier da gelabert hatten. Noch heute freut man sich und grüßt sich innig, wenn man sich bei Konzerten über den Weg läuft.
Oder Angel Witch, auch eine meiner Jugend-Legenden, da bin ich auch total unvorbereitet ins Interview – hat aber auch super hingehauen und was haben wir gelacht. Mann, was habe ich das Angel-Witch-Debüt hoch und runter gehört … Und den damaligen Bassisten habe ich dann noch öfters getroffen (u.a. mit Heathen) und zusammen ein paar Biere gezischt.
Slough Feg: Auch ein kurzfristig ausgemachtes Interview auf dem Keep It True. Bandkopf Mike, der sonst so abgedreht wirkt, ist privat doch eher ruhig und nachdenklich. Was ein Unterschied! Und dann waren die Batterien meines Aufnahmegeräts leer. Er hat’s nicht gemerkt, aber ich, und erst mal den Faden verloren und herumgestottert, bis ich wieder in der Reihe war (ich war ja auch schon etwas angestochen). Er hat zwar etwas verwirrt geschaut, aber egal.
Helstar auf dem HOA: Zwischendrin rennt Sänger James Rivera kurz zu einer Photosession und lässt mich sitzen. Ich mir erst einmal ein Bierchen besorgt und gewartet. Da marschiert Mark von Manilla Road vorbei, schaut mich grübelnd an, brabbelt was wie „irgendwoher kenne ich dich“, und drückt mir die Hand. Ja, stimmt sogar, war allerdings garantiert 8 Jahre her, als wir uns gesprochen hatten. Nachdem James dann wieder da zurückgekommen war, beendeten wir das Interview und zum Abschied hat James mich noch umarmt. Das Interview ist dann auch gelungen.
Und da waren noch Oil: Tanja und ich trafen uns in Los Angeles mit Hansy, wo wir unabhängig voneinander gerade waren. Er hatte mit einer christlichen Extrem-Metal-Band ein Interview bei einem Bandmitglied zu Hause ausgemacht. Er packt uns also ins Auto und wir alle saßen gemeinsam in einem Wohnzimmer irgendwo in L.A. und warteten auf die restlichen Bandmitglieder. Zwecks Smalltalk diskutierte ich dann mit einigen Bandmitgliedern über Sinn und Unsinn des Glaubens. Hansy hatte schon die Befürchtungen, ich könne den Bogen überspannen, da die mit Tattoos übersäten Jungs wirklich sehr gläubig waren. Aber da sowohl ich als auch die Oil-er sehr tolerant waren, ich ja eigentlich auch nur die Institution Kirche immer wieder in Frage stelle, verlief alles harmlos und wir hatten dann noch ein richtiges Interview. Ich glaube aber, bis heute habe ich es verpasst mir die Scheibe zu kaufen – Schande!
Ja, das war’s. Sorry, keine Skandale – die zickigen Musiker oder Divas habe ich dann nur fürs Way Up interviewt.

Denis Hedzet (Way Up): Ja, klar vor allem die schon weiter oben erwähnten Momente. Hinzukommen natürlich Storys wie ein sehr entspanntes, nettes und fast schon redseliges Interview mit Glen Danzig (!!). Immer wieder gerne Bobby Blitz von Overkill, von dem 50% eines Interviews privater Smalltalk sind. Bobby ist gedächtnis-technisch phänomenal und kennt z.B. das Geburtsjahr meines Sohnes besser, als jemand aus meinem direkten Bekanntenkreis. Ich erinnere auch Mille von Kreator immer wieder gerne, dass er das Interview zur „Coma Of Souls“ direkt aus der Badewanne gegeben hat, natürlich am Telefon!

Habt ihr im Laufe der Jahre eine Veränderung innerhalb der Metal-Szene feststellen können?

Denis Hedzet (Way Up): So wie alles um uns herum, hat sich Dank des Internets auch hier vieles verändert. Man bekommt keine Demos mehr geschickt, sondern nur Links zu MySpace- oder YouTube-Seiten. Es kommen immer mehr und schneller irgendwelche Genre-Bezeichnungen und Schubladen hinzu und das man mit einer Reunion fett Geld verdienen kann, ist ja nun auch mittlerweile zur letzten 80er-Jahre-Band durchgedrungen…

Arno Bretträger (Totentanz): Ich denke, alles geht seinen normalen Weg. Es gibt im Metal Strömungen wie Crossover, Nu Metal oder Industrial, die kommen – sind groß – und dann gehen sie wieder. Wohingegen der echte Stahl einfach immer da ist, haha. Es ist völlig okay, dass die Kids heute Helden wie Shagrath, Robb Flynn oder diesen Volbeat-Elvis haben. Wir hatten früher Cronos, Tom Warrior und Angelripper. Jede Generation hat ihren eigenen Sound und ihre eigenen Heroes. Das muss so sein und es ist kein Ende in Sicht. Die Szene könnte sicher etwas gesundschrumpfen (vor allem was CD-Veröffentlichungen und Open-Air-Festivals betrifft), aber ansonsten passt das schon. Nein – nicht ganz: Leute, wenn ihr auf kleinen Konzerten ein Bier weniger trinkt, dann könnt ihr vorne an der Kasse fürs selbe Geld noch ein Fanzine mitnehmen. Denkt mal drüber nach!

Marco Korn (From The Underground): Puuh! Kommt darauf an, welchen Zeitraum man heranzieht! Allgemein gesehen ist das Bandangebot natürlich ungemein in die Breite gegangen, in jeder Sparte tummeln sich unzählige Bands. Dadurch kann man viele, viele Bands entdecken. Gerade durch das Internet hat sich vieles verändert, heute müssen keine Briefe mehr geschrieben und wochenlang auf Antwort gewartet werden. Damals passierte viel über Tapetrading, heute „wühlt“ man ein bisschen auf MySpace. Das ist alles angenehm und schnell. Oder Festivals: Heute könnte man im Sommer jedes Wochenende auf ein anderes Metal-Festival gehen, davon konnte man früher nur träumen. Andererseits sind Konzerte kleiner Bands meist trotzdem nur mau besucht und die Tourneen und Auftritte großer Gruppen schnell ausverkauft – egal zu welchem Preis. Und man braucht sich nicht wundern, warum die CD-Verkäufe einzelner Bands zurückgehen, denn wer soll denn soviel Geld haben, alle Veröffentlichungen seiner immer mehr werdenden Lieblingsbands kaufen zu können?
Teils war der Zusammenhalt der damals noch wenigen Metalheads innerhalb einzelner Regionen stärker, aber dafür hat man jetzt leichter die Möglichkeit, Freundschaften mit Metal-Fans aus aller Herren Länder zu knüpfen (Internet, die vielen Festivals). Trotzdem bewerte ich die Metal-Szene heutzutage positiv: Auch wenn diese Spannung neue Bands kennen zu lernen einfach nicht mehr so intensiv ist, hat man doch die Möglichkeit, unheimlich viele Bands aus seinen/m gewählten Lieblingsgenre/s zu hören. Gerade im Classic, Thrash und Doom Metal erscheinen im Moment so viele Alben, dass man kaum hinterherkommt – alleine Eigenproduktionen oder Importe, dazu kommen noch alle offiziellen Releases, die man in den großen Magazinen wie Rock Hard, Heavy, usw. findet.

Ihr habt die Veränderung durch das Internet ja schon angesprochen. Wird es auch in Zukunft noch Fanzines geben, oder werden diese irgendwann dem World Wide Web zum Opfer fallen?

Arno Bretträger (Totentanz): Ich glaube schon dass es noch Printhefte geben wird, auch wenn es immer schwerer wird. Aber es gibt ja auch noch Vinyl und VHS Tapes, haha.

Marco Korn (From The Underground): Das Print-Fanzine ist eindeutig eine gefährdete Spezies. Viele gibt es nicht mehr, während das Angebot an Internet-Zines wächst. Ich persönlich nutze diese nur sehr, sehr selten und ziehe meine Informationen nach wir vor meist aus dem Rock Hard und dem Heavy, aber kann es absolut nachvollziehen. Internet-Zines sind billig (wer hat heute denn noch keine Flatrate?), überall zu beziehen und meist top-aktuell. Ich bevorzuge zwar das Blättern und sammle alle meine alten Metal-Magazine und Fanzines, aber meine Generation ist ja auch nicht mehr die frischeste, haha.

Denis Hedzet (Way Up): Solange noch auf dem Klo, in der Badewanne oder im Zug gelesen wird, wird und sollte es auch Fanzines geben. Wobei das iPad schon eine richtige Bedrohung darstellt. Was mich Fanzine-Schreiber natürlich sehr freut sind die eigenen Fans, die nur das gedruckte lesen wollen und sogar zum Teil einen Bogen um die „großen“ Magazine machen. Ich bekomme oft handgeschriebene Bestellungen per Post, in denen einfach nur steht, dass ich, sobald das nächste Heft fertig ist, es rausschicken soll!

Vielen Dank an euch drei für das tolle Interview. Falls ich was vergessen habe: Die letzten Worte gehören euch…

Arno Bretträger (Totentanz): Ich danke euch von Metal Aschaffenburg für das Interview. Kommt nicht oft vor, dass ein Interviewer interviewt wird. Auch ein großes THANX an alle Leser des Totentanzes und natürlich an alle meine Leute im Team – ohne die würde nix gehen. Wer uns mal besuchen will, klickt bitte auf www.Totentanz-Magazin.de.

Marco Korn (From The Underground): Leute, unterstützt den Underground, denn nur aus diesem können wieder große Bands hervor wachsen! Sonst haben wir irgendwann immer die gleichen Bands, die als Festival-Headliner taugen und das ist auf Dauer wohl langweilig. Es lohnt sich also, und wenn man mal tief genug gräbt, finden sich wahre Schätze.

Denis Hedzet (Way Up): Ausgabe Nr. 36 ist vor ein paar Wochen erschienen und gibt es zur vorab Einsicht unter www.WayUpMagazin.de. Auch dort kann es für 5,- Euro (inkl. Porto) bestellt werden.

(mk)

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