Melancholic Seasons

Verfasst am 01. Juni 2022 von Michael Klein (Kategorie: Band Of The Month, Interviews, Regionale Bands) — 1.118 views

Melancholic Seasons wurden zwar schon 1995 gegründet, gehören aber trotzdem noch zu den Geheimtipps unserer Region. Das sollte sich mit dem bemerkenswert starken neuen Album „The Crypt Of Time“ ändern! Wir unterhielten uns mit Gitarrist und Gründungsmitglied Andi.

Metal Aschaffenburg: Herzlichen Glückwunsch zu „The Crypt Of Time“!
Ich finde, ihr habt euch damit in mehrerer Hinsicht deutlich verbessert!

Andi: Vielen Dank, es freut uns riesig, dass das Album so positiv aufgenommen wird. Man selbst kann das ja nicht so einschätzen. Natürlich haben auch wir gemerkt, dass es einen qualitativen Schub gab. Der war ja auch gewollt und …forciert. Aber ob die Songs dann auch zünden, steht ja noch mal auf einem ganz anderen Blatt.

Schon bevor man den ersten Ton hört, sieht man, dass ihr dem Album ein richtig geiles Artwork gegönnt habt. Wurde das Bild extra für „The Crypt Of Time“ angefertigt? Wie seid ihr auf Cursedhand_Art gekommen?

Andi: Ja das Cover…das ist echt großes Handwerk. Und ja, es wurde extra für die CD kreiert. Max (Cursedhand_Art) hatte sich unsere Roughmixe wohl nicht nur vor dem Beginn seines Schaffens angehört, sondern auch dabei, um die Stimmung einzufangen. Und ich finde, das kommt echt raus. Das war alles ein echter Glücksfall. Ich hatte mal mit Krsto von Sunczar gesprochen. Wir kennen uns seit einem gemeinsamen Gig Anfang 2000 und freuen uns immer, wenn wir uns treffen. Sein Bandkollege Phillip hat mir dann die Kontaktdaten gegeben. Es gab ein Treffen zum Kennenlernen und Ideen austauschen, was sofort total gepasst hat. Wir haben mittlerweile ein freundschaftliches Verhältnis und ich feiere das jedes Mal hart, wenn wir Kontakt haben.
Wir waren uns schnell einig, dass irgendwie der Kopf mit der Blume, der schon auf den letzten Alben von uns zu sehen war, wieder auftaucht. Und der ist ja mal richtig fett geworden. Dann zum Thema Zeit die Sanduhr, gehalten von dieser Runzelhand vom Schleimöhi im Hintergrund, die vielen Details und Facetten im insgesamt traditionell gehaltenen Artwork…ein echter Hingucker wie wir finden, auch durch die eher modern bunte Farbgebung. Wir bekamen während der Entstehung immer wieder den aktuellen Stand vorgelegt. Aber da gab es wenig zu justieren. Da war einfach ein blindes Verständnis oder eben eine gemeinsame Frequenz gegeben. Für dieses Werk sind wir einfach nur dankbar! Wir haben bereits eine weitere Zusammenarbeit geplant.

Auch am Klang habt ihr stark gefeilt. Welche Entwicklung haben die Songs im Überlärm Studio noch genommen? Welchen Einfluss hatte Manu Renner auf „The Crypt Of Time“?

Andi: Also Manu von den Überlärm Studios hat vor allem durch die Klangteppiche großartige Atmosphäre geschaffen. Ich finde, er hat dafür ein sehr besonderes Händchen. Es klingt nie überladen, ist eher dezent und immer an den richtigen Stellen eingesetzt. Um das so zu erkennen, bedarf es halt echt ein außerordentliches musikalisches Gespür. Das hat Manu ohne Frage. Auch er war für uns ein Glücksfall. Er hat etliche, auch viele kleine Effekte eingebaut, die sich teilweise erst nach mehrmaligem Hören erschließen. So gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Zudem hat er bei Feinheiten, wie z.B. Übergängen, hilfreiche und innovative Ideen eingebracht. Das war dann einfach ein breiteres Spektrum. Vor allem aber hat er das Album mit einem fetten Sound veredelt. Bisher die beste Produktion, von der wir voll begeistert sind. Auch mit ihm werden wir wieder zusammenkommen. Wir haben bereits einen Slot gebucht. Denn…wir haben bereits ein nächstes Album fast fertiggestellt. Dabei handelt es sich aber nicht um neues Material. Mehr verraten wir zu gegebener Zeit.

In meinen Ohren ist die größte Verbesserung jedoch das Material selbst! Auf „The Crypt Of Time“ stehen zweifellos die besten Stücke, die ihr je geschrieben habt.
Mir hat es vor allem das variable „A New Identity (Graves In Mind Pt.2)“ angetan. Könnt ihr mir ein bisschen mehr zur Entstehung und Bedeutung dieses Songs erzählen?

Andi: Nun, wenn man so lange in einer Band spielt, sammeln sich eine Vielzahl an Ideen, die in irgendwelchen geistigen, heute auch virtuellen oder digitalen Schubladen rummodern. Es gab da ein Fundament, das aber äußerst simpel gestrickt war, mit einigen Melodiebögen. Wir wollten daraus aber einen modern klingenden Song machen. Und dann ist das manchmal so, dass plötzlich ein kreativer Schub kommt, sich alles wie Bausteine zusammenfindet und dann solch ein sehr umfangreicher Song entsteht. Es gab da keinen wirklichen Plan. Ich bin dabei einfach etwas besessen und kann erst aufhören, wenn alles im Kasten ist. Die Soloparts, die waren geplant. Da hatte ich das Gefühl, jetzt muss was kommen, deswegen an den Stellen die Riffs eher etwas basaler gehalten. Da es ein Riff gibt, das von der Stimmung einem Riff bei unserem Song „Graves In Mind“ ähnelt, fand ich die Verbindung der beiden Songs stimmig.
Ich mag es, wenn es in den verschiedenen Schaffensphasen Bezüge zueinander gibt. Dann wird das alles nochmal spürbarer zu einer Kontinuität, bei all den Diskontinuitäten, denen wir ja schon extrem ausgesetzt sind und waren.
Textlich geht es darum, auf der Suche nach Identität nicht falsche Wege zu gehen. Dafür gibt es ja heute viele Angebote, die einen nicht unbedingt zu einem selbst führen, sondern eher in die Erwartungshorizonte virtueller Scheinwelten. Wenn man sich selbst verlustig geht, kann man in den Augen und Gedanken anderer vielleicht auch nur bedingt haften bleiben.

„Burning Dreams“ hat für mich einen starken In Flames-Vibe. Ist denn die alte Göteborg-Garde überhaupt noch ein Einfluss für euch? (Auch wenn von dort schon lange nur noch wenig Relevantes kommt, oder?)

Andi: Manchmal habe ich den Eindruck, wir haben da eigentlich unseren eigenen Stil entwickelt. Ohne das jetzt unbedingt anvisiert zu haben. Aber diese zweistimmigen, melodischen Gitarrenparts sind einfach ein Teil der DNA von Melancholic Seasons. Das wabert aber auch immer so hin und her. Mal vereinen wir eher disharmonische, thrashigere Teile zu einem Song, um dann wieder völlig in die Melodien abzugleiten. Aber dieses Spannungsfeld scheint wichtig. Zum einen wegen der Abwechslung. Immer nur Melodien können manchmal auch zum Overput führen. Irgendwie braucht es dann zur Reinigung auch mal wieder ein Gewitter, um dann eben wieder harmonischer zu agieren. Dampf ablassen, Harmonie zulassen, Disharmonie dagegensetzen und dies dann wieder aufzulösen. Ohne das jetzt vorher größer durchdacht zu haben, habe ich vielleicht gerade die „Melancholic Seasons“ definiert. Sowas!

Ich hatte den Eindruck, dass „Burning Dreams“ auch extrem gut als reines Instrumental funktionieren könnte?
Entstehen Songs bei euch immer direkt mit Text und Gesang oder zuerst rein instrumental?

Andi: Bisher sind die Songs zum absoluten Großteil instrumental entstanden. Einige wenige haben sich um Gesangsideen, Refrains oder Songtitel herum entwickelt. Das birgt halt immer das Risiko, dass die Songs schon sehr viel Strukturen aufweisen und der Sänger sich wie in einem Korsett bewegen muss. Wir haben uns aber vorgenommen, auch Songs gemeinsam entstehen zu lassen. Jeder kann und soll sich einbringen und wiederfinden können. Das macht es sehr spannend, weil wir bisher einfach anders gearbeitet haben. Aber ich habe das Gefühl, dass sich alle auf diesen neuen Weg freuen und äußerst gespannt sind, wie das wird. Gemeinsam etwas zu erschaffen ist einfach nochmal eine ganz besondere Dynamik. Und die wollen wir entfachen.

Eine tolle Geste ist es, dass ihr eurem leider viel zu früh verstorbenem Sänger Björn auf „I Am December (Autumnsphere Pt.2)“ nochmals einen kleinen Platz einräumt!
Gibt es denn weitere Aufnahmen von ihm, die ihr auf diese Art verwenden möchtet?

Andi: Leider waren diese Parts bei „I Am December“ die letzten Aufnahmen, die wir so verwenden können. Aber genau deswegen macht es diesen Moment für uns so groß und sehr bedeutend. Es ist eine letzte Hommage. Ein letzter musikalischer Abschied. Björn war nochmal bei uns. Ich freue mich bei jedem Hören, wenn seine Stimme, die mich fast 20 Jahre begleitet hat, nochmal ansetzt. Und dass er damit auch nochmal Teil auch dieses Albums sein kann, finde ich ebenso ganz besonders. Auch wieder eine Kontinuität. Bei all den auch schmerzlichen Veränderungen.

Obwohl „The Crypt Of Time“ bereits vom zwischenzeitlichen Sänger Ben Koch komplett eingesungen im Kasten war, habt ihr euch entschieden, die Vocals von Kevin Kiesecker nochmals komplett neu einsingen zu lassen. Das war bestimmt keine leichte Entscheidung, oder?

Andi: Mmh, leicht…es war uns eher ganz klar, dass wir nicht wieder eine Scheibe rausbringen wollten, die ein nicht mehr existentes Line-Up abbildet. Das hatten wir ja bereits bei der „Martyrium“, die ja posthum nach Björns Tod veröffentlich wurde. Diese Klarheit war so präsent, dass es keinen anderen Weg gab. Sicherlich war es ein mentaler Akt, den hinter sich geglaubten Berg wieder vor uns zu sehen. Aber…schon die erste Aufnahmesession mit Kevin hat uns gezeigt, was das für die Mucke bedeutet. Ab dem Moment waren auch sofort der Spaß und die Vorfreude da. An einigen Stellen haben wir auch nochmal kleine Dinge ergänzt, wodurch es einfach auch nochmal abwechslungsreicher wurde. Rückblickend war es sicher ein steiniger Weg. Aber es hat sich in jedem Falle gelohnt, diesen Weg so zu gehen. Letztlich ist es auch die Fortsetzung des Weges, den wir mit der „Melancholia“ und der „Martyrium“ begonnen haben. Wir hatten so viele Songs, aber keine gescheiten Aufnahmen davon. Ich weiß noch genau, wie wir im Proberaum standen und gesagt haben, wir müssen jetzt produzieren, in der vorhandenen Besetzung. Um auch deutlich zu machen, dass viel Energie in der Band steckt. Auch etwas, was wir vorher nicht abbilden konnten. Dabei haben wir viel gelernt. Knowhow, dass wir auch bei der „Crypt…“ eingebracht haben. Und damit soll natürlich der Weg noch nicht am Ende sein. Wir haben noch so viele neue Ideen, auch etliche unveröffentlichte Songs. Wir sind da mittlerweile auch gut eingespielt und jeder kennt seine Handgriffe. Das schafft einen sehr angenehmen Workflow. Und viel Abwechslung.

Ich finde es sehr sympathisch von euch, dass ihr in den Booklet-Credits ehemaligen Wegbegleitern Songs widmet! So schlimm könnt ihr also doch gar nicht sein, dass ihr immer noch Verstärkung an Schlagzeug und Bass sucht, oder?

Andi: Schlimm? Nein, schlimm finde ich uns wahrlich nicht. Wir sind eher bescheiden. Was in einem solch teilweise arg selbstdarstellerischem Zirkus nicht immer ein Vorteil ist. Natürlich werden wir immer wieder mal gefragt, was da bei uns los ist und warum es zu diesen häufigen Wechseln kommt. Aber ehrlich gesagt finde ich, richtet sich die Frage an die Falschen. Wir sind ja diejenigen, die am Ball geblieben sind. Wir sind nicht die schwachen Glieder in der Kette. Vielleicht haben wir manchmal Leute zu schnell offiziell aufgenommen und hätten eine inoffizielle Testphase laufen lassen sollen. Aber das ist nicht so unser Ding. Es stellt sich halt erst nach einer gewissen Zeit heraus, ob es passt oder nicht. Da kann man Glück oder Pech haben. Wir hatten da eben viel Pech. Wobei es zuletzt ja auch wirklich Dinge waren, für die keiner was kann…Jobwechsel, gesundheitliche Probleme. Da kann man nichts machen.
Und dass mit den Credits…nun, hier ehemalige Mitmusiker zu benennen, die ihre Spuren hinterlassen haben, ist ja auch ein Dank. Diese Band hat einfach viele Phasen durchlebt. Wie man eben auch ein Leben durch Beziehungen in verschiedene Kapitel unterteilt. Mit Abstand kann man ja dann auch meist erkennen, wofür die Phasen gut waren. Und dass es vielleicht einige Weiterentwicklungen ohne Veränderungen nicht gegeben hätte. Die genannten Personen, und auch noch einige andere, haben die Band durch ihren Einsatz ja auch am Leben gehalten. Und das ist wahrlich ein Grund, hierfür dankbar zu sein. Sie bleiben immer Wegbegleiter.
Jetzt noch einen Drummer und einen Bassisten zu finden, das ist unser großes Ziel. Wir hoffen, mit dem neuen Album auch zu zeigen, dass es sich lohnt, ein Teil dieser Band zu werden. Auch deshalb sind wir Euch von Metal Aschaffenburg für Euren Support, das großartige Review und dieses Interview sehr dankbar! Passt auf Euch auf und bleibt thrashy!!!

Wir wünschen euch dafür alles gute und viel Erfolg und freuen uns, noch viel von euch zu hören!
Danke für die Antworten und eure Zeit!
Wir sehen uns!

(mk)

www.Melancholic-Seasons.de

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