Rock Hard Festival 2023

Verfasst am 30. Mai 2023 von Michael Klein (Kategorie: Band Of The Month, Festival-Rezensionen, Konzert-Rezensionen) — 897 views

26.05.2023 – 28.05.2023, Amphitheater, Gelsenkirchen

Einfach toll, dass das Rock Hard Festival nicht den Corona-Nachwehen zum Opfer gefallen und trotz gestiegener Preise in nahezu allen Bereichen, (finanziell) noch zu stemmen ist.
Nicht selbstverständlich – denn hier steckt kein großer Investor hinter der Veranstaltung.
Treue Fans und Besucher machen es möglich – und machen es wie immer auch zu dem gemütlichen Ereignis, für das wir jedes Jahr nach Gelsenkirchen fahren.
Danke also an die Veranstalter und alle, die an der Durchführung des Festivals beteiligt sind. Und danke an die vielen friedlichen und freundlichen Besucher! (Idioten waren wirklich nur ganz ganz wenige auszumachen)

 


 

Freitag

Dieses Jahr hat sogar die Bahn mitgespielt, so dass wir pünktlich zu Screamer mit einem Bier in der Hand auf den Stufen des Amphitheaters sitzen könnten. Die Schweden erwartungsgemäß gut angenommen. Energiegeladener, traditioneller Heavy Metal geht auf dem Rock Hard halt immer!

Da können Motorjesus im Anschluss leicht anknüpfen. Der V8 geschwängerte Groove-Rock/Metal geht gut nach vorne! Von der Erkältung von Sänger Chris merkt man nix. Stücke wie „Fist Of The Dragon“, „King Of The Dead End Road“ oder „Motor Discipline“ haben gut Sprit im Tank und räumen am Ende völlig verdiente
Sprechchöre und begeisterten Jubel ab!

Holy Moses nutzen die Gelegenheit, in ihrem Abschlussjahr nochmal darauf hinzuweisen, nicht zu vergessen, den Bandnamen FETT in die Thrash-Geschichtsbücher einzutragen. Die Aachener um Sabina Claassen liefern nämlich einen Hochmotivierten Gig (Ex-Gitarrist Andy Claassen als Gast). Stark, dass die Band sich auch nicht hinter Klassikern wie „Finished With The Dogs“ versteckt und auch etliche neue Songs zocken. Dass diese gleichermaßen abgefeuert werden, zeigt, dass die Truppe (im Gegenteil zu manch Zeit- und Genregenossen) nach wie vor relevante Musik herausbringt. Schade, dass sie sich Ende des Jahres auflösen.
Für mich eine der Überraschungssieger des Festivals!

Dass die anschließend spielenden Vicious Rumours auf viele Fans treffen werden war Recht klar. Doch Benediction als Co-Headliner zu platzieren, schien gewagt! Die Briten sind weder als Hit-Maschinen, noch als Bühnentiere bekannt und laufen bei vielen eher unter der Kategorie „Zweite-Reihe-Band“.
Doch der groovige Death Metal zündet schnell. Band und Publikum heizen sich gegenseitig immer weiter auf, so dass sich die Show zu einer der krassesten Abrissbirnen des gesamten Wochenendes formt. Richtig stark!

Über Celtic Frost muss man keine Worte verlieren. Deshalb halten wir uns bei der Early Celtic Frost Show von Tryptikon auch kurz und sagen nur: Uughh!

 


Samstag

Midnight Rider dürfen den Samstag eröffnen, was ihnen mit klassischem Heavy Metal mindestens genauso gut gelingt, wie Screamer am vorherigen Tag.

Danach liefern Knife das erste Highlight des Tages. Der punkige, rotzige Death-Thrash kommt super an, was nicht nur die Band sichtlich freut, sondern auch uns und unsere sympathische Begleitung, die sich uns heute angeschlossen hat (cheers!).

Nach so aus der Hüfte geschossenem, bewusst unperfektem Material, fallt es schwer, den sperrigen, kopflastigen Stücken von Depressive Age zu folgen – ungeachtet der Qualität der Band. Aber Stimmung kommt nicht so richtig auf…
Kurios, dass dann ausgerechnet die Songs des damals verachteten Albums „Electric Scum“ („Cairo Crabat“) das Ruder herumreißen. Mit Brutus als zusätzlichem Shouter kommt dann deutlich mehr Druck in den Sound und infolgedessen mehr Bewegung auf die Bühne, so dass sich die Berliner die Pommesgabeln auch verdient haben. Ein echter Arbeitssieg.

Wer sich jetzt wundert, wohin Nestor verschwunden sind, die eigentlich vor Depressive Age spielen sollten? Die haben es wohl nicht pünktlich ins Amphitheater geschafft und spielen ein paar Slots später. Dafür folgen jetzt Voivod, die wiederum für die ausgefallenen Discharge eingesprungen sind… Billing-Chaos Deluxe.

Wir verabschieden uns jedoch kurz für einen kleinen Abstecher in den Gelsenkirchener Alma Park, um dort in einem Escape Room die Machenschaften einer geheimen Sekte aufzudecken. Das gelingt uns knapp (noch eine Minute übrig…!), so dass wir es pünktlich zu Sodom zurück in den Nordsternpark schaffen.
Zur davor nachgeholten Show von Nestor teilen sich die Meinungen der von uns befragten Gäste. Zwischen Peinlich und Megacool ist die komplette Bandbreite abgedeckt. Hier lohnt sich vielleicht ein Blick in die Mediathek des Rockpalasts (die erneut große Teile des Wochenendes übertragen) um sich von den 80ies-Fans selbst ein Bild zu machen.

Wenn eine Band perfekt für das Rock Hard Festival gemacht ist, dann die Lokalmatadoren von Sodom!
Nur ein paar Tag zuvor als Ersatz für Exodus verpflichtet, brauchen Angelripper & Crew keine 5 Sekunden, um die Meute vor der Bühne auf Temperatur zu bringen. Egal ob Klassiker wie „Agent Orange“ oder das neue „Caligula“. Die Stimmung ist Top, Tom super bei Stimme, die Band tight und spielfreudig und der Sound ist fett. Ein Triumphzug!

Ganz anders als bei Testament
Bereits vor einigen Jahren hat die Band auf dem Festival komplett verkackt. Bei damals unterirdischem Sound und dadurch bedingten Spielfehlern sind den Amis die Fans vor der Bühne weggelaufen.
Auch der heutige Versuch der Wiedergutmachung geht vollends in die (Sound)Hose.
Anfangs so leise, dass Gesang und Gitarren kaum zu hören sind. Trotz vehementen „Lauter, lauter!“-Sprechchören) fällt dem Mischer irgendwie Erst 10 Minuten später auf, dass da was fehlt. Der dreht daraufhin die Gitarren so auf, dass die Songs in völliger Übersteuerung untergehen und nur undifferenzierter Matsch zu erkennen ist.
Wäre ich Veranstalter, würde ich Testament nicht mehr so schnell buchen!
Außerdem: Wann ist eigentlich Lombardo ausgestiegen?

 


Sonntag

Sonntag Mittag. Bier in der Hand. Und von der Bühne tönt feinster Edelstahl irgendwo zwischen Helloween, Queensryche und Maiden. Verantwortlich dafür sind Iron Fate, die in allen Belangen eine starke Performance liefern. Sänger Denis‘ Leistung am Mikrofon ist aber wirklich herausragend – und mit Abstand eine der besten des Festivals!

Danach wird es derb. Undertow planieren die Stufen des Theaters. Mit ihrem wuchtigen Stücken wie „On Fire“ oder „Life Kills““ (sie werden nicht umsonst „die deutschen Crowbar“ genannt) walzen die sympathischen Schwaben jede Unebenheit aus dem Gelände und werden dafür mit verdientem Applaus bedacht.

Wucan sind nicht nur eine der schönsten musikalischen Abwechslungen im dieses Jahr sehr Thrash-lastigen Billing, sondern auch eines der Tageshighlights. Die Truppe um die an Gitarre, Keyboard, Theremin und Querflöte brillierende Sängerin Francis zelebriert ihre 70ies-Sounds mehr als authentisch und beweist auch mit herausragendem Songwriting, dass die Vorschusslorbeeren der Anmoderation („eine der besten Bands des Festivals“) durchaus Hand und Fuß hatten.

Der musikalische Kontrast zu den folgenden Legion Of The Damned könnte nicht größer sein. Doch die legen selbstbewusst mit „Legion Of The Damned“ ins Set ein und lassen den Pit eine ganze Stunde heiß laufen!
Neben drei Songs vom noch nicht veröffentlichten „The Poison Chalice“ kommen natürlich auch Klassiker wie „Son Of The Jackal“ oder das immer wieder beeindruckend groovende „Doom Priest“ zum Zuge. Fett!

Den Faden greifen Enforcer an (musikalisch) anderer Stelle auf. Die Reaktionen auf die Schweden fallen ebenfalls extrem gut aus und werden von Tankard dann noch auf die Spitze getrieben. Mit 40 Jahren Bühnenerfahrung und launiger Performance (obwohl die Eintracht am Tag zuvor die europäischen Plätze verpasst hat!) brauchen die Frankfurter nicht lange, um die unserer Beobachtung nach beste Stimmung des Festivals zu erzeugen. Eine beachtliche Menge an Crowdsurfern lässt sich zu Stücken wie „Rectifier“, „Rapid Fire“, „The Morning After“ oder „Chemical Invasion“ über die Menge tragen, bis das abschließende „Empty Tankard“ die Fans vor der Bühne kollektiv ausrasten lässt.

Katatonia zählen definitiv zu unseren Redaktionslieblingen – doch die Live-Shows der Schweden waren bisher immer sehr durchwachsen. Auch heute kann die Band keinen Preis für den Auftritt gewinnen. Hauptsächlich liegt es am etwas ungünstigen Bühnensound, der Jonas Renskes markante und elementar wichtige Stimme nur schlecht hörbar irgendwo im Hintergrund verschwinden lässt. Und so toll die Songs der Band auch sind – Katatonia hinterlassen irgendwie einen seltsamen Eindruck: Renske schlenzt beinahe lustlos auf der komplett leeren Bühne (kein Backdrop, keine Banner oder sonstige Aufbauten; wohlgemerkt als Co-Headliner!) und zudem fehlt Gitarrist Blakkheim aus unbekannten Gründen. Was den Gig noch auf die Haben-Seite zieht sind Weltklasse-Songs wie „July“, „Forsaker“ oder „My Twin“ und die technisch beeindruckende Leistung von Drummer Daniel Moilanen.

Den Abschluss des Festivals darf Michael Schenker einläuten – während wir uns langsam auf den Weg machen… Bis nächstes Jahr!

„Tim“ Michael, Linda und Steffen

 

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