Pain Of Salvation | Vorbands: Anneke van Giersbergen & Árstíðir

Verfasst am 25. April 2013 von Gringer (Kategorie: Konzert-Rezensionen) — 3.813 views

21.04.2013 – Turock, Essen

Die endlose Schlange vor dem Essener Turock ließ schon vermuten, dass heute Abend etwas Exklusives passieren wird. Der Club war dennoch niemals überfüllt – unter anderem auch deshalb, weil sich die Konzertbesucher auch auf der Empore und der dazugehörigen Treppe verteilt hatten. Man hatte also gut Luft zum Stehen, allerdings nicht zum Atmen. Das lag natürlich daran, dass im Club geraucht werden darf, aber auch an der ungünstigen Saal-Klimatisierung, die im Wesentlichen aus einem Gebläse bestand, das einem das Haar in bester Poser-Manier wegwehen ließ.

Ich weiß, normalerweise beginnt man mit einem positiven Aspekt. Da aber nur noch Superlative folgen, dürfen wir auch mal auf diese Weise herangehen.

Alleine schon der optische Empfang war grandios. Die Bühne hatte sich tatsächlich in ein 70er-Jahre-Wohnzimmer verwandelt. Bemusterte Tapete wohin das Auge reicht, Couch, Sessel – alles vorhanden. Bis hin zur Topfpflanze. So kam bereits vor dem ersten Ton schon eine familiäre Stimmung auf.

Pünktlich betrat Daniel Gildenlöw die Bühne um erstmal ein gepflegtes Pläuschen auf der Couch abzuhalten. Dazu reichte er sich selbst Chips, Obst und Wein und hielt eine beschwingt fröhlichen Dialog über den Tod. Das klingt erstmal morbide, war es aber in keinem Fall. Es regte zum Nachdenken an, ohne aufdringlich zu sein. Man hing so gebannt an seinen Lippen, dass man ganz vergaß, dass man eigentlich für ein Konzert gekommen war.

ArstidirAber Gildenlöw zwang sich zum Ende und eröffnete zusammen mit den großartigen Árstíðir den Abend. Allein für das den Abend eröffnende und zusammen vorgetragene „Road Salt“ hat sich die Anreise schon gelohnt. Was die Isländer danach noch drauflegen konnten, war unglaublich. Bandelfe Jón Elísson bewies, dass er locker mit Gildenlöws fantastischer Stimme mithalten kann und entführte uns sofort in den Wald. Diese Stimme ist einzigartig, voller Zauber und auf keinem Tonträger reproduzierbar. Was auch für alle weiteren fünf gilt! Jedes Bandmitglied brachten seine eigene Qualität mit, sei es stimmlich oder am Instrument (wie Geige oder Cello). Doch bei aller Märchenstimmung demonstrierten die sechs Isländer auch, welche Energie live übertragen werden kann oder sangen ein unvergessliches A-cappella-Stück, das nicht wenigen Anwesenden die Tränen in die Augen trieb, sowie rockten und proggten sich durch die gerade mal 30 Minuten. Diese fühlten sich aber locker wie eine Stunde an, eben weil sie die Zeit stehen lassen konnten. Schlussendlich war das Gespann auch noch witzig obendrein. Eine absolute Liveempfehlung! (lkb)

Anneke Van GiersbergenDass es Anneke van Giersbergen nach dem frenentischen Applaus, den die Isländer für ihren Auftritt bekommen haben, (Headlinerwürdig! Wegen wem waren die Fans noch mal da?) schwer haben würde, war klar. Doch mit entwaffnendem Charme und Liebreiz konnte die sympathische Niederländerin das Essener Publikum schnell auf ihre Seite ziehen, welches den halbstündigen Auftritt seinerseits mit dickem Applaus würdigte und Anneke ein dickes Lächeln ins Gesicht zauberte.
Die ehemalige The-Gathering-Sängerin versuchte auch erst gar nicht, die nachdenkliche, zerbrechliche Atmosphäre von Árstíðir weiterzuführen, sondern animierte die Fans mit luftig-lockeren Stücken wie „My Electricity“ oder „Yalin“ eher zum Mitklatschen bzw. im Falle der Coversongs „Time After Time“ (Cindy Lauper) oder „Jolene“ (Dolly Parton) auch zum Mitsingen, was hervorragend gelang. Sweet, sweet – wie immer!

Da die ersten beiden Shows ohne Umbaupause fließend ineinander übergingen (und sich die Musiker bis zum Ende des Abends ohnehin ständig gegenseitig unterstützten) hatte man eigentlich nie das Gefühl, einen Hauptact mit zwei Vorbands, sondern einen einzelnen Konzertabend mit vielen Beteiligten zu sehen. Trotzdem musste vor den Schweden das Wohnzimmer ein kleines bisschen umgeräumt werden, was den Anwesenden die Möglichkeit gab, Bierbecher und Urinale aufzufüllen.

Pain Of SalvationAls schließlich Pain Of Salvation das Zimmer betraten, hielten es die wenigesten Anwesenden noch für möglich dem bisherigen Abend eins draufzusetzen. Doch die Schweden sind bekanntermaßen immer für eine Überraschung gut und brachten (auch ohne die (heute wirklich witzigen) obligatorischen End-Of-The-Tour-Späße) so viel Spaß, Spielwitz und Freude mit auf die Bühne, dass es eine wahre Freude war. Dazu eine tolle Setlist mit teils vollkommen umarrangierten Stücken („Ashes“ als SloMo-Rocker, Dios „Holy Diver“ als Reggae/Jazz-Version oder „Stress“ als schräge Swing-Variante) und brillierenden Musikern, die nicht müde wurden zu beteuern, wie toll und harmonisch diese Tour war. Dass Anneke das Kris-Kristofferson-Cover „Help Me Make It Through The Night“ und die Árstíðir-Musiker diverse andere Songs (u.a. das geniale „Chain Sling“) ergänzten, erschien da nur logisch. Zum abschließenden „1979“ versammelten sich dann sogar alle Beteiligten zu einer rauschenden Party, die die Fans nicht ausschließt und einen der besten Konzertabende der letzten Jahre (wenn nicht sogar der Beste) mit einem Ausrufezeichen zu Ende bringt. (mk)

Setlist Pain Of Salvation
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  • Falling Home
  • Diffidentia (Breaching The Core)
  • Linoleum
  • Mrs. Modern Mother Mary
  • Ashes
  • Help Me Make It Through The Night
  • To the Shoreline
  • Holy Diver
  • Stress
  • Disco Queen
  • Second Love
  • Spitfall
  • Iter Impius
  • The Perfect Element
  • ————————-
  • Dust In The Wind
  • Chain Sling
  • 1979

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