Nachschlag

Verfasst am 01. September 2008 von Michael Klein (Kategorie: Festival-Rezensionen) — 6.274 views

Summer Breeze Open Air 2008

14.-16.08.2008 – Flugplatz Aeroclub, Dinkelsbühl

Die Entscheidung mit Bus und Bahn anzureisen erwies sich in diesem Jahr als goldrichtig. Bei gemütlicher Anfahrt mit Bier, Schnaps und Met ließ sich der abnormale Stau zum Festivalgelände glücklicherweise gut vermeiden, so dass Schlafsack und Zelt schnell an gewünschter Stelle errichtet waren und prompt zum gemütlichen Teil übergegangen werden konnte.

Leider hatte der Mittwoch nur wenige echte Highlights zu bieten. Neben dem inzwischen obligatorischen (und verzichtbaren) Newcomer-Contest, den die Würzburger Fuck Your Shadow From Behind gewonnen haben, war für Freunde der härteren Klänge zumindest mit The Rotted und Hail Of Bullets etwas geboten. Der Donnerstag, Freitag und Samstag war da schon wesentlich stärker besetzt.

Die Zeltbühne erwies sich (trotz einiger unschöner Überschneidungen) im Laufe der drei Tage als schöner Zugewinn, denn sowohl die dort spielenden Bands als auch der Sound konnte fast immer punkten. Denn im Gegensatz zu den großen Bühnen konnte hier auch ein Line- statt nur einem Monitor-Soundcheck durchgeführt werden (was bei Main und Pain Stage oft dringend notwendig gewesen wäre).

Neben den von Mathias bereits beschriebenen starken Auftritten von Kataklysm, Heaven Shall Burn oder Arch Enemy waren es besonders einige kleinere Bands die für Überraschungen sorgten. Auch ich sehe Enemy Of The Sun mit ihrer machtvollen Live-Performance ganz weit vorne – aber schon am Donnerstag überraschte das Diablo Swing Orchestra im Party-Zelt mit einer witzigen und wilden Mischung aus Kammermusik und Brachialgewalt. Kinder von Coppelius und Therion würden sich wahrscheinlich genau so anhören.

Nachdem Paradise Lost abends die Main Stage gekonnt in Dunkelheit gehüllt haben wurde es Zeit für die Iren Primordial auf die Bretter zu steigen. Doch die sonst so überragend aufspielenden Mannen verblüfften durch viele Spielfehler, Timingprobleme und Holprigkeiten. Zudem stand Sänger Alan ungewohnt oft mit dem Rücken zum Publikum vor dem Drumriser. Die Erklärung wurde kurz später geliefert: Schlagzeuger Pól MacAmlaigh hat es gesundheitlich schwer erwischt und der (kurz vor der Absage befindliche) Auftritt konnte nur dank ärztlicher Betreuung gerettet werden. Was soll’s: Songs wie Empire Falls, The Coffin Ships“ oder „As Rome Burns“ verbreiten auch unsauber gespielt noch mehr Stimmung als manch komplettes Album anderer Bands.

Am Freitag gab es zur Mittagszeit eine etwas ausgefallenere Band auf der Hauptbühne zu beobachten. Die Kanadier 3 Inches Of Blood feuerten bei bestem Sound den Anwesenden eine hervorragend funktionierende Mixtur aus Iron Maiden und einer Prise Death Metal um die Ohren. Beeindruckend war vor allem der bärbeißige Fronter Cam Pipes, der (auch wenn man dem Aussehen nach eher tiefes Gegrunze erwarten würde) mit Leichtigkeit Töne traf von denen Rob Halford nur noch träumt. Spaßig!

Nach vielen Highlights tagsüber war es vor Allem der Abend, der so richtige Schmankerln bereitstellte.

Den Gig von Hollenthon empfand ich im als klaren Triumphzug. Der Bühnensound war für mich (wahrscheinlich dank gutem Gehörschutz-Filter) klar und transparent, ließ die Samples gut erkennbar und verlieh dem Auftritt der Österreicher ordentlich Wumms. Ars Moriendi, On The Wings Of A Dove“, „Woe To The Defeated“ – jeder Song ein Kracher. Viel besser geht’s nicht, oder?

Doch! The Vision Bleak riefen zum Nachtgebet – und wurden erhört. Das Zelt war voll, die Stimmung hervorragend und die Band war bestens eingespielt. Allen Frevlern bewiesen die Lovecraft-Fans, dass der oft als softer Gothic-Rock verspottete Stil live heftig rockt. Spätestens nach Riffmonstern wie „Demon Of The Mire“ oder „Chthulu“ sollte jeder begriffen haben, dass bei The Vision Bleak nicht Feder, sondern Peitsche und Hammer regieren. Genial!

Nachdem Debauchery zum Frühstück eine dicke Scheibe Blutwurst serviert haben und viel „Bock auf Töten“ bewiesen, gab es kurz danach mit den Franzosen The Old Dead Tree noch einen der stärksten Newcomer der letzten Jahre zu bewundern. Den teilweise nur suboptimalen Sound überspielte die junge Band mit viel Spielfreude und Spaß. Die tollen Publikumsreaktionen bestätigen, dass The Old Dead Tree mit ihrer Mischung aus Muse und Opeth auf der richtigen Linie sind. Mit drei starken Alben und den darin enthaltenen starken Songs im Gepäck kann ja auch nicht viel schief gehen. Von dieser Band kann man in Zukunft noch sehr viel erwarten. Merkt sie Euch gut!

Den englischen Schreckensmeistern von Cradle Of Filth wurde die Ehre zugetragen, das Festival als Headliner der Hauptbühne abzuschließen. Die sonst für so visuell beladene Konzerte bekannte Truppe beschränkte sich an diesem Abend jedoch aufs Wesentliche: Die Musik! Ohne Schnickschnack und Firlefanz wurde eine Songperle nach der anderen in die Nacht gefeuert – und das in atemberaubendem Tempo (das 80-Minuten-Set war in 70 Minuten durchgeballert!). Über Dani Filths Gesangs- und Ausdrucksweise kann man natürlich gerne schmunzeln, aber Stücke wie „Cruelty Brought Thee Orchids, Her Ghost In The Fog“ oder „Nymphetamine“ sind live über alles erhaben. Die Cradles liefern mit diesem Hammer-Gig die beste Werbung für ihre Deutschland-Tour im Dezember. (mk)

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