Vom Tod geprägt

Verfasst am 18. Juni 2010 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 2.858 views

Ein Interview mit Enemy Of The Sun

Um die internationale Ideenschmiede Enemy Of The Sun war es trotz des starken Debüts „Shadows“ in den letzten Jahren bis auf einige Konzerte relativ ruhig. Nach 36 Monaten Wartezeit liegt nun mit „Caedium“ ein ebenbürtiger Nachfolger vor und die Band um Songwriter, Gitarrist und Produzent Waldemar Sorychta (Ex-Grip Inc.) ist bereit neu anzugreifen.

Metal-Aschaffenburg: Der Titel „Caedium“ ist Latein und bedeutet im übertragenen Sinne „Tötung“ bzw. „Selbsttötung“ und legt nahe, dass der Selbstmord von Gus Chambers dich nicht nur persönlich getroffen hat, sondern posthum auch starken Einfluss auf das Songwriting gehabt hat. Worin besteht dieser Einfluss und wo liegen deiner Meinung nach die wesentlichen Unterschiede zwischen „Caedium“ und „Shadows“?

Waldemar Sorychta: „Caedium“ beschäftigt sich in vielerlei Hinsicht mit dem Tod.
Nach dem Selbstmord von Gus Chambers ist der Gedanke von Vergänglichkeit sehr in den Vordergrund gerückt. Es schmerzt. So ein Ereignis hinterlässt tiefe Spuren und prägt sowohl die Musik als auch Texte enorm.
Das Lied „The Golden Horizon“ ist nicht nur Gus gewidmet, sondern eigentlich ein altes Grip-Inc.-Lied, das zur seiner Zeit nicht fertig wurde. Es beinhaltet auch zwei Originalzeilen von Gus, die er noch vor seinem Tod schrieb. Kurz davor hatten wir gemeinsam eine Show in der Zeche Bochum bei der wir ein Set von ca. 50 Minuten Grip-Inc.-Songs spielten. Dies zeigte mir, dass ich mich gar nicht zu weit weg von dem Grip-Inc.-Sound entfernen möchte. Insofern denke ich, dass  „Caedium“ einerseits straighter ist, anderseits aber auch brachialer und heftiger als der Vorgänger.

enemyofthesun_bandpic

Chasing The Dragon“ beginnt mit dem Klang eines ungewöhnlichen Instruments? Einer Ukulele? Wo lernt man solche Instrumente zu spielen und wie kommt man auf die Idee solche in einen Song zu integrieren?

Dieses Instrument heißt Timple und ist eine Art Ukulele der Kanarischen Inseln, also ein spanisches Instrument. Es liegt jetzt auf der Hand, dass ich mal dort Urlaub gemacht habe und mir so eine Timple bei einem Timplebauer gekauft habe. Am selben Tag noch schrieb ich das Lied – besser gesagt: Teile davon. 2009 schaute ich mir einen Film an, dessen Filmmusik mich an diesen typischen Sound der Timple erinnerte. Dies war der Hauptauslöser, das Gerät mal wieder auszugraben und zu benutzen. Es ist noch bei paar anderen Passagen zu hören, genau so wie eine Balalaika, die mir Alla zum Geburtstag schenkte.

Kannst du dir eigentlich vorstellen, ein Enemy-Of-The-Sun-Album von jemand externem produzieren zu lassen?

Ich weiß was ich will und wie ich es erreichen kann. Die fertigen Bilder/Sounds existieren schon lange vor der ersten Aufnahme, daher ist es eher die beste Variante, zumindest in unserem Falle, wenn ich die komplette Produktion durchführe.

Euer Bandname ist der Titel eines 1993er-Neurosis-Albums. Warum habt ihr euch damals ausgerechnet für diesen Namen entschieden? Seht ihr auch heute noch Parallelen zwischen euch und den Kaliforniern?

Neurosis war und ist eine meiner Lieblingsbands. Seit ich 1993 die besagte „Enemy Of The Sun“ erwarb, war ich fasziniert von dem Titel der Platte. In der Anfangszeit von Grip Inc. sagte ich schon damals zu Dave (Lombardo, damaliger Drummer der Band/ Schlagzeuger von Slayer – Anm. d. Red.): „Irgendwann muss man eine Band ‚Enemy Of The Sun‘ nennen“. Dies tat ich dann 2006 und wunderte mich, dass bis dato noch keiner sonst diese Idee hatte.

enemyofthesun_caedium_cover

Ich habe gehört, dass „Caedium“ vom Film „Watchmen“ beeinflusst wurde. Wie äußert sich dieser Einfluss?

Es gibt wohl ein paar Texte von Jules (Näveri, dem finnischen Sänger der Band – Anm. d. Red.) die von der Novelle/dem Film beeinflusst worden sind. Eines davon ist „The Power Of Mankind“. Ich persönlich kenne weder das Buch noch den Film, kann daher nicht viel dazu sagen.
Im Allgemeinen sind viele Texte vom Tod geprägt. In „Aimless“ geht es um einen Amokläufer. Das Lied und der Text entstanden direkt nach der Winnenden-Tragödie. Solche Sachen nehmen mich/uns immer sehr mit. Zu sehen wie Vollidioten nichts mit ihrem wertvollen Leben anfangen können und sich am Ende noch als Helden feiern wollen, in dem sie Unschuldige wahllos töten. Schlimm ist, dass es sowohl Bewunderer als auch Nachahmer finden. Dies ist richtig pervers! Wer weiß, ob unter den Opfern nicht evtl. ein neuer Beethoven oder Einstein dabei war. Vielleicht war jemand dabei der in den kommenden 20 Jahren ein Mittel gegen den Krebs entwickelt hätte.

Live-Auftritte von Enemy Of The Sun waren in den letzten Jahren rar gesät. Wird man euch in der nächsten Zeit öfter live bewundern dürfen?

Wir hoffen immer, gute Angebote zu bekommen. Aber dies liegt leider nicht in unseren Händen. Das Musikgeschäft – und somit auch alle Liveshows – orientiert sich nun mal an der freien Marktwirtschaft. Da ist oft nicht einmal die Qualität gefragt sondern reine Zahlen. Wenn jetzt jeder der Leser eine CD kauft, sind wir plötzlich für alle Veranstalter attraktiv. Wenn das nicht passiert, kann man sich den Rest ausmalen. Wenn die Frage einer Tour von uns ausgehen sollte, dann wären wir schon lieber gestern „on the road“ als morgen.

Dann hoffen wir auf gute Verkaufszahlen und ein baldiges Wiedersehen auf Tour.
Vielen Dank für das Interview!

(mk)

Zum Warmhören verlost Metal-Aschaffenburg zwei Exemplare des aktuellen Silberlings „Caedium“. Näheres dazu findet ihr HIER!

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