Crystal Crow

Verfasst am 20. Mai 2014 von Michael Klein (Kategorie: Interviews) — 3.331 views

Als die Band 2004 im Aschaffenburger JuKuz auftrat, hat sie sich mit einem tollen Gig nachhaltig in unser Gedächtnis eingebrannt.
Deshalb ist es ehrensache für uns, zum Release des zweiten Albums mal bei den Jungs aus anzuklopfen. Sänger Dirk „Whych“ Binder gab uns Auskunft.

cclogo2012-whiteHi Whych! Euer neues Album trägt den Titel „Once Upon A Midnight Dreary“ und scheint euch lange beschäftigt zu haben. Abschluss der Aufnahmen war ja bereits am 12.05.2012. Weshalb erscheint es denn erst jetzt?

Dirk Binder: Das ist recht schnell erklärt. Wir haben versucht, ein Label zu bekommen. Bis die Bewerbungsunterlagen, Artwork etc. fertig waren, hat es noch einige Monate gedauert. Danach mussten wir natürlich auf die Antwort der Labels (wenn denn überhaupt eine Rückmeldung gekommen ist) warten. Das hat sich dann gezogen, bis wir, nach entweder Absage oder keiner Reaktion, beschlossen haben, die CD wieder in Eigenproduktion zu machen. Danach hatten wir ein wenig Probleme mit unserer Stamm-Druckerei, die einfach total überlastet war usw. So zieht sich das dann von Monat zu Monat.

Was hat euch dazu bewogen, die CD komplett live einzuspielen? Wie habt ihr euch auf diese Aufnahmeweise vorbereitet?

Wir haben öfters vom Publikum gehört, dass wir live um einiges intensiver sind als auf CD. Da kam uns der Gedanke, wieso spielen wir die Sache nicht einfach auch live ein? Dazu ging mir noch durch den Kopf, wieso ich manche alte Scheiben immer noch gerne anhöre, während neuere Hochglanzproduktionen so schnell ihren Reiz verlieren. Ein Grund ist für mich dieses ganze „Polieren“ der heutigen Produktionen. Einzelne Teile solange einzuspielen, bis aber auch jegliches Leben raus ist. Da hab ich doch lieber auch mal einen Ton der nicht ganz passt, aber dafür lebt die Musik. Zudem ist es eine unglaubliche Dynamik, die entsteht, wenn man sich eben während des Spiels gegenseitig hochpusht. Die hat man wenn man alleine im Studio in seiner Kabine steht einfach nicht.
Besonders vorbereitet haben wir uns nicht. Wir spielen die Sachen ja auch live, also sollten wir sie beherrschen. Da wir live sowieso auf Klick spielen, wegen der Samples, ist das auch kein Problem. Im Vorfeld haben wir die Sache natürlich mit Markus (Stock; Produzent – Anm. d. Verf.) besprochen, was die Umsetzung angeht. Er meinte, können wir gerne machen, aber wenn wir es verbocken, ist das dann unser Problem, haha.

Selbst den Gesang habt ihr „am Stück“ aufgenommen. Das ist ja ’ne ganz schöne Herausforderung! Wie viele Takes musstest du denn pro Song einsingen?

Das war allerdings wirklich herber als ich mir gedacht hatte. Ich habe im Schnitt so fünf Takes mitgesungen (Instrumental waren es meistens mehr) und danach entschieden welchen wir nehmen. Da gibt’s Songs, die ich nur zweimal gesungen habe, weil sie einfach leichter zu singen sind (z. B. „Dance Of Death“), bei andern wurden es dann mehr. Nach zwei Tagen war ich aber wirklich erstmal richtig platt. Wir haben dann einen Tag die Gitarren-Solos/Doppelungen (je nachdem, was Andi live mitgespielt hat) gemacht, damit ich Pause habe. Als Sänger ist das wirklich nicht die beste Art aufzunehmen, aber dafür ist es eben live. War definitiv eine Erfahrung. Aber ich denke, so werde ich das nicht nochmal machen.

Bisher hat man dich auch häufig mit – ich nenne es mal – „Rockstimme“ singen hören. Kommt es mir nur so vor oder ist diese auf „Once Upon A Midnight Dreary“ zugunsten des Kontrasts aus melodischer Stimme und Grunts deutlich zurückgenommen?

Es ist so, dass ich nach Text und Gefühl entscheide, wie ich etwas singe. Soviel Berechnung ist da gar nicht dahinter. Es ist auch so, dass ich immer noch an mir arbeite, mich hoffentlich weiterentwickle und wenn ich dann wieder „was Neues“ herausfinde, benutze ich das dann natürlich bevorzugt.

Crystal Crow 2013-1Als lyrische Vorlage dienen diesmal u.a. Texte von Edgar Allan Poe, Goethe und Oscar Wilde. Dabei fiel die Wahl auf relativ bekannte Texte. Warum ausgerechnet diese (in der Vergangenheit ja schon von vielen anderen Bands benutzte) und nicht unbekanntere Werke?

Gute Frage. Die Themen haben einfach gut zum Instrumentalen gepasst. Natürlich verarbeitet man da auch den Fan in sich. Ich wollte z. B. schon seit Jahren mal die Dorian Gray-Story verarbeiten. „The Raven“ hat auch einfach perfekt auf den Song gepasst. Es gab auch die Idee, Sagen aus dem Schwarzwald zu verarbeiten. Vielleicht nächstes Mal. Naja – nicht nur vielleicht, aber das ist jetzt noch alles zu früh.

Das klingt ja mal nach einem spannenden, zukünftigen Konzept.
Auf der aktuellen Scheibe ist „Time Ends“ einer meiner Favoriten. Welche Geschichte steckt hinter diesem Stück?

Ich habe im Internet mal eine Geschichte gelesen, das die alten Pharaonen alle Vampire gewesen wären. Da der Song bei mir dieses „Wüstenfeeling“ erzeugt, dachte ich mir, das passt eigentlich recht gut und hab‘ grob dieses Thematik aufgegriffen. Ein uraltes Wesen, das bis an das Ende der Zeit die Wüste und deren Bewohner heimsucht.

„Once Upon…“ ist eine klassische Märcheneinleitung. Ich finde aber gerade das neue Album vom Eindruck, den es hinterlässt, sehr wenig märchenhaft. Ich finde, es klingt sehr erwachsen, ernst und direkt. Wie ist das Konzept hinter „Once Upon A Midnight Dreary“ im Laufe der Zeit gewachsen?

Erwachsen, ernst und direkt? Mission erfolgreich, haha.
Was wir nach „Unearth The Dark“ schnell gemerkt haben, war, dass wir wieder mehr Metal werden wollten. Es ist sogar so, dass „Dorian Gray“ einer der ersten Songs war, die wir damals kurz nach der Aufnahme geschrieben hatten. Da hat sich schon gezeigt, in welche Richtung es in Zukunft weiter gehen sollte. Dazu wollte ich textlich in die Horror-/Gruselschiene, was aber kein Problem war, da ich da wirklich freie Hand habe. Dann muss aber eben auch die Musik anders werden, was aber auch ein ganz natürlicher Prozess war. Ganz klar muss man auch sehen, dass bei allen Songs zuerst das Gitarrenriff steht. Nach dem Weggang von Simon (Keys) haben wir angefangen, alle Keyboardsounds erst nachdem der gesamte Song steht auf dem PC zu programmieren. Der Song musste also erstmal auch ohne Keys funktionieren. Netter Nebeneffekt ist, dass so auch mehr Härte reinkommt. Dann verwenden wir für die Keys nur noch klassische Instrumente und Soundeffekte. Also keine typischen Synth-Sounds mehr. Aber ja, ich denke, wenn uns noch jemand aus unseren Gothic-Zeiten kennt, könnte es eine Überraschung geben.

Wenn wir schon bei Märchen sind: Böse Charaktere werden in Märchen nur selten charakterisiert. Sie sind halt einfach böse. Dabei geben sie häufig sehr interessante Charaktere ab. Gibt es (böse Charaktere aus) Märchen, die bei Crystal Crow Spuren hinterlassen haben? (Bei manchen Stücken habe ich nämlich das typische Bild von einem finsteren Märchenwald und deren unheilvollen Bewohner vor meinem inneren Auge…)

Wenn du dieses Bild hast, dann haben wir alles richtig gemacht.
Mir persönlich haben als Kind schon immer die Märchen mit Teufeln, Hexen und Geistern am besten gefallen. Dazu lebe ich noch in einer Gegend, in der es viel Wald gibt und eine alte verfallene Burg. Bestes Horrormaterial. Dazu kommen die gesamten klassischen Monster wie Dracula, Frankenstein, Der Wolfsmensch etc. Ich muss auch sagen, dass ich ein großer King-Diamond-Fan bin und seine Art Geschichten zu erzählen hat mich sehr inspiriert.

Hinter dem rabenköpfigen Wesen auf dem Cover versteckt sich eine kalifornische Künstlerin. Wie kommt diese denn auf ein Artwork einer schwäbischen Dark-Metal-Band?

Als Ralf am Artwork gearbeitet hat, ist ihm das Foto aufgefallen. Die Pose hat genau zu dem gepasst, was er sich vorgestellt hatte. Also hat er sie angeschrieben und wir haben die Erlaubnis bekommen, ihr Foto zu verwenden. Eigentlich reiner Zufall. Wäre eine Dame aus Aschaffenburg so da gesessen, wäre die nun wohl auf dem Cover.

Welchen Stellenwert nehmen denn „Love Again“ und „Unearth The Dark rückblickend für euch ein? Wie beurteilt ihr die beiden Alben aus heutiger Sicht?

Wir schämen uns auf alle Fälle nicht für die CDs. Nein, ernsthaft. Für die Zeit, als wir diese CDs aufgenommen haben, waren wir genau das und wir haben auch genau das gefühlt. Auch wenn wir heute live kaum bis gar keinen Songs der beiden CDs mehr spielen, weil sie einfach nicht mehr richtig rein passen, stehen wir voll dahinter. Mir persönlich sind heute beide CDs zu „freundlich“ und ich würde auch keine solchen Texte mehr schreiben, aber zu der Zeit waren das eben Crystal Crow. Die „Love Again“ war zudem für uns noch ein großer musikalischer Umbruch. Davor wussten wir nicht mehr so richtig wo wir hin wollten. Wir waren eine Prog-Metal-Band, die keine Lust mehr auf Prog hatte. Leider ist es auch so, dass wir in den Köpfen von vielen noch ebendiese Goth-Rocker sind. Ich hoffe mit der neuen CD werden auch die „Metal-Leute“ wieder aufmerksam auf uns.

Ihr betreibt Crystal Crow als Hobby, tretet aber in allen Belangen sehr professionell auf. Wie schwer ist es, den Spagat zwischen privatem Zeitvertreib und ernsthaften Ambitionen hinzubekommen?
Wenn ein größerer Erfolg abzusehen wäre, würdet ihr den Schritt zur Band als Beruf mitgehen?

Wie bei jedem Hobby, steckt man eben viel Zeit rein. Wir können z. B. nur einmal in der Woche proben, was sich natürlich auch auf die Schnelligkeit des Songwritings auswirkt. Wäre schon schön, wenigstens jemanden zu haben, der sich um das Booking kümmert. Alleine da Kontakte aufzubauen, mit den Veranstaltern verhandeln etc. kostet Unmengen an Zeit. Es ist auch nicht drin einfach mal so auf Tour zu gehen, da ja jeder von uns noch seinen normalen Job hat. Das Gute ist, dass wir einfach als Band funktionieren und über die Jahre auch einfach ein Grundstandard da ist. Dann ist natürlich auch immer das Geld so eine Sache. Wenn man die ganze Produktion erstmal vorschießen muss, überlegt man es sich, ob man Mediabooks drucken lässt.
Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, reiner Berufsmusiker zu werden. So schön der Gedanke im ersten Moment ist, möchte ich nicht bei jedem neu komponierten Song dran denken müssen, ob er auch bei genügend Leuten gut ankommt, damit diesen Monat auch mein Kühlschrank gefüllt ist. Wir wollen uns da auch nicht verstellen. Wenn uns nach einem Doom-Song ist, machen wir einen und wenn wir danach meinen nun doch Death Metal zu machen, dann auch gut. Ein Label, das uns im Vertrieb etc. unterstützt, wäre natürlich trotzdem eine feine Sache. Eigentlich wollen wir doch nur Musik machen und uns nicht um solche „weltlichen Dinge“ kümmern, haha.

Vielen Dank für das Interview. Lest nachfolgend noch einen kleinen Rückblick auf die ersten Alben der Band.

(mk)

www.Crystal-Crow.com

 

 

Crystal Crow love againCrystal Crow – „Love Again

Love Again“ stellt das Debüt der Band in EP-Form dar. Sämtliche Trademarks der kristallenen Krähen sind in den vier enthaltenen Stücken bereits enthalten, man merkt jedoch, dass sich die Band noch in einer Orientierungsphase befindet und die Gewichtung der Stilanteile noch keinem festen Muster folgt.
Eckpfeiler des Grundsounds sind natürlich die Drei „Stimm-Gesichter“ von Sänger Whych: Aggressive Growls, tiefe, klagende Gothic-Stimme und raue Rockröhre.

Love Again“ sitzt noch nicht an allen Ecken perfekt und wirkt bisweilen etwas blass, lässt die Klasse der Truppe aber schon deutlich erkennen.
Highlights sind der heftige Opener „Corruption“ und das melancholisch-schwermütige „Catch The Fall“. Für eine Debüt EP ein gelungener Einstand. (mk)

crystal crow unearth the darkCrystal Crow – „Unearth The Dark

Für das Full-Length-Debüt konnte die Truppe gleich in mehreren Punkten an Qualität zulegen. Zum einen hat sich das Songwriting verbessert. Die Songs kommen besser auf den Punkt und wirken schlüssiger, zum anderen hat sich der Weg in die Produktionshände von Markus Stock & Tobias Schönemann (The Vision Bleak) in deren Klangschmiede Studio E hörbar gelohnt.
So gehören Stücke wie das treibende, impulsive „Inside“ oder das mitreißende „Fading Memories“ zum Besten, was man bis dahin von Crystal Crow gehört hat. Gothic und Metal stehen hier noch relativ gleichberechtigt nebeneinander. Wenn die Band auf die Tube drückt, wirkt sie jedoch authentischer. Dass Crystal Crow beim neuen Album an Härte zugelegt haben, ist demnach gut nachvollziehbar und passt zur Entwicklung.

Der Einfall, das Cover mit einem Druck zu versehen, der in der Nacht glüht und dem Album somit ein Tages- und ein Nachtgesicht verleiht, ist übrigens genial! (mk)

Crystal Crow Once Upon A Midnight DrearyCrystal Crow – „Once Upon A Midnight Dreary

„Never change a winning team“ dachten sich Crystal Crow und enterten 2012 erneut die Klangschmiede Studio E um abermals unter der Regie von Markus Stock (The Vision Bleak, Empyrium) den Nachfolger von „Unearth The Dark“ aufzunehmen. Zwei Jahre später ist „Once Upon A Midnight Dreary“ nun endlich veröffentlichungsreif und bietet trotz gleicher Vorzeichen doch einige spannende Neuerungen.

Das gesamte Album wurde live aufgenommen und nachträglich mit nur wenigen Änderungen (u.a. gedoppelte Gitarren) versehen. Eine tolle Leistung aller Beteiligten, denn das Ergebnis klingt sehr echt und unverfälscht, besitzt aber trotzdem genug Transparenz und Druck.

Naiv-schnöde Unterhaltungskost haben Crystal Crow ja noch nie serviert. Deren Stücke haben sich schon immer durch einen gewissen Anspruch ausgezeichnet. Auf „Once Upon A Midnight Dreary“ liefern sie aber ihre mit Abstand reifsten Beiträge bisher ab.
Basierend auf Texten von Edgar Allan Poe, Oscar Wilde oder Goethe wirkt auch die Musik erwachsener, nachdenklicher und dramatischer als bisher. Dazu passt der gewachsene Doom-Anteil und die höhere Gewichtung auf dem Kontrast zwischen Gothic-Stimme und Grunts von Frontmann Dirk „Whych“ Binder (der wiederholt eine tolle Performance hinlegt) sowie der generell gesteigerte Härtegrad.

Paradise Lost und Moonspell sind natürlich immer noch die groben Eckpfeiler wenn es um eine Beschreibung des Sounds von Crystal Crow geht – jedoch schimmern immer häufiger auch The Vision Bleak und Atrocity hervor. So z. B. im peitschenden „Dance Of Death“ oder dem harschen Ende von „Dorian Gray“. Das mit verschlepptem Groove versehene „Time Ends“ erinnert mit seinem orientalischen Flöten-Thema hingegen ein bisschen an die unvergessenen Orphanage zu „By Time Alone“-Zeiten. Doch egal wie man es wendet und dreht – am Ende bleibt „Once Upon A Midnight Dreary“ ein vollkommen eigenständiges Stück Musik, das sowohl (und mehr denn je) bei Metal-Fans als auch bei Gothic-Anhängern verdienterweise seine Freunde gewinnen wird! (mk)

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