Deadwood

Verfasst am 12. Mai 2014 von Michael Klein (Kategorie: Interviews, Regionale Bands) — 2.266 views

Man hat das Gefühl inmitten eines Sturmes am felsigen Strand zu stehen. Während die Wellen meterhoch in die Brandung schlagen und die überall verwehende Gischt die Luft zum Atmen knapp macht, steht man einfach nur da, lässt die Naturgewalten toben und sinkt in seine eigene innere, tiefe Melancholie.

Eine solche Stimmung verursacht das intensive Hören von „Picturing A Sense Of Loss“ – das hochklassige Debüt von Deadwood. Wir baten die Band zum Gespräch und stellen erneut fest, dass spannende, inhaltsreiche Musik auch spannende und inhaltsreiche Interviews ergibt. Aber lest selbst…

Deadwood

Metal-Aschaffenburg: Ich muss sagen, dass ich von „Picturing A Sense Of Loss“ extrem beeindruckt bin. Wie lange habt ihr denn an dem Album gearbeitet?

Deadwood: Wir sind wirklich überwältigt vom Anklang, den unser eigentlicher Erstling bislang schon erfährt, danke also zunächst mal für den Gefallen daran! Teile der Stücke sind vielleicht älter, als mancher vermuten möchte, gerade hinsichtlich des für uns recht neuen Klangcharakters verschiedener Elemente.
Sehr vieles beruht auf Versionen unserer älteren Lieder. Eines davon wurde auch bereits im Rahmen eines Samplers veröffentlicht.
Kurz nach dem wir unsere Demo 2008 veröffentlichten, haben wir eine Anfrage für besagten Sampler erhalten, der die vier Jahreszeiten thematisiert.
Da uns das Konzept zusagte, haben wir zwei Songs beigesteuert, die passende Motive aufgreifen, aber im Nachhinein weitläufiger verwendet werden konnten. Einer davon ist „White Tears Gently Touching The Earth“. Man sollte wirklich betonen, dass es nicht ganz dem entsprach, was wir zu dieser Zeit umsetzen wollten. Es gab eine nicht enden wollende Folge von Komplikationen. Flo, einer der Gitarristen, bricht sich pünktlich zu Beginn der Aufnahmen den Arm und gönnt sich immerhin eine Woche Ruhe, gefolgt von allerhand unterirdischen technischen Bedingungen der Aufnahme.
Auf dem aktuellen Album findet man nun die neue Aufnahme, und gerade am Vergleich der Varianten werden allerhand Entwicklungen deutlich. Wir haben das Ganze selbst im Proberaum unseres neuen Gitarristen Marcel aufgenommen. Große Sorgfalt galt dabei neben großzügigen Überarbeitungen durch sein Mitwirken auch den eingespielten Effekten und verfremdeten Gitarrensignalen. Diese wurden allesamt ordentlich aufgenommen, um den diversen Klangmalereien nicht digital via Postproduktion kompositorisch auf die Sprünge helfen zu müssen. Da waren definitiv ein paar Experimente und Kunstgriffe nötig. Das ganze profitierte sehr von der vertrauten Atmosphäre im Proberaum. Wir konnten uns nach Lust und Laune austoben und es ordentlich dröhnen lassen, bis die richtigen Knöpfe gefunden waren, ohne dass dabei jemand über unsere Schultern und auf seine Uhr schaut.
Insgesamt wurde in vier bis fünf Monaten eingespielt, ausgefeilt und experimentiert was das Zeug hält – und große Erfahrung gesammelt für alles, was folgt. Wie das bei versuchsfreudiger Eigenregie und vielbeschäftigten Mitmenschen so ist, können wir die Zeitspanne nur annähernd umreißen.
Im Anschluss daran verhalf uns ein guter Freund, Manuel Karakas, zu einem professionellen Mix und Mastering des Albums. Diese Zusammenarbeit war eine unsagbare Bereicherung für uns als Band. Er hat sich mit großer Widmung in unser Konzept vertieft und unser Herz im Sturm erobert. Wir können ihm nicht genug dafür danken!

Die Songs klingen allesamt extrem ausgereift und durchdacht – wie groß ist der Anteil eurer Erfahrung an der Gesamtqualität?

Da wir in Eigenregie aufgenommen haben und bereits ein bisschen Erfahrung in Studioarbeiten sammeln durften, wussten wir von vornherein, was planbar ist und was nicht. Hier und da läuft immer etwas aus dem Ruder, und der ein oder andere Plan muss schnell mal an die Realität angepasst werden, so auch bei uns. Bei uns war nahezu nichts planbar, wie sich schnell zeige, und die Realität… nennen wir sie „fordernd“. Ein Großteil an improvisationslastigen Parts im Aufnahmeprozess so zu gestalten, dass ein gewisser Charakter darin erhalten bleibt, ist schwer planbar. Nimmt man selbst auf, kann man sich zudem andere Arbeitsweisen erlauben, die einen Studio schnell unbezahlbar machen, gerade hinsichtlich vieler (Effekt-) Spielereien. Wir haben viele spontane Ideen und glücklicherweise die Möglichkeit, diese selbst mit minimalster Technik eigens umzusetzen, ohne auf großartig mehr als eine Hand voll Mikros und ein grottiges Interface zugreifen zu können. Zum Glück konnten wir uns soweit zusammenreißen und bei der Sache bleiben, um fehlendes Drumherum durch Mehrarbeit auszugleichen ohne das Konzept oder die Motivation zur Umsetzung zu verlieren. Und am Schluss hieß es dann, wie schon erwähnt „Auftritt des Helden“ im letzten Akt.

DeadwoodDie Wurzeln von Deadwood liegen eher im traditionellen Black Metal. Welchen Ursprung hat der Gedanke, aus dem orthodoxen, starren Gerüst des old-schooligen BM auszubrechen und neue Wege zu beschreiten?

Die Songs vom Demo sind nun auch schon älter. Flo ist erst kurz vor dessen Aufnahmen Teil der Band geworden. Es hat auch Laune gemacht, alles so schnell wie möglich zu halten und auch eine gewisse Ignoranz gegenüber anderen musikalischen Elementen zu zeigen. Im Prinzip war das keine bewusste Entscheidung, traditionellen Black Metal zu spielen. Das war schlicht Ergebnis eines gemeinsamen Konsenses. Wie aus Deadwood das wurde, was es heute ist, zeigt ein zusammenfinden als Band, das fünf doch deutlich unterschiedlichen Charakteren dann irgendwann ihren individuellen Einfluss gewährte. Man entwickelt neue Ideen und neue Strukturen bis man auf einmal merkt, dass man sich von seinem Startpunkt weiter und weiter entfernt. Trotzdem bleiben alle ursprünglichen Elemente noch Teil von uns. Ja, wir formulieren uns im Black Metal und nein, wir sind angeblich keine traditionellen Black-Metaller. Dennoch würdigen wir unsere eigene Vergangenheit im Black Metal nicht herab, indem wir von Reife, Entwicklung und avantgardistisch überheblichem Quatsch sprechen, aus dessen Gründen wir uns vom Black Metal abkehren würden. Unsere musikalische Vergangenheit ist ein wichtiger Teil von uns, ohne den wir nicht zusammengefunden hätten. Wir haben einen Weg gefunden, der uns „einfach mal loslegen“ lässt.

Wie viel Traditionalist und wie viel Nonkonformist sind Deadwood heute?
Seht ihr euch selbst als scheuklappenfreie Musiker?

Wir sind als allererstes nur fünf unterschiedliche Charaktere und haben alle unsere musikalischen Vorlieben. Das reicht von Punk zu Post Rock, Ambient, über Psychedelic bis hin zu Hardcore, Sludge, Doom, Jazz und natürlich Black Metal. Klaro sind Schubladen wichtig für die häusliche Ordnung, aber keine Kommode der Welt sollte für unsere Gedankengänge hinhalten müssen. Wir fangen einfach an, klammern uns an nichts, alles lebt von Improvisation und offenherzigen Versuchen, gemeinsam etwas zu aufzubereiten, es umzusetzen, sodass gemeinsam auf neue Art wahrgenommen werden kann.

Was treibt euch (kreativ) an, die Musik zu kreieren, die ihr mit Deadwood macht?

Themen, auf die es immer öfter hinausläuft sind Verluste, Angst, Isolation. Das Grauen, im Gefühl des falschen Lebens zu sein, den Anschluss an etwas, das zugleich ewig stehen zu bleiben scheint. Die Musik ist ein Teil davon, ob nun ein Empfinden einzelner Bereiche verstärkt oder minimiert wird, ist wohl abhängig von der einzelnen Person. Alles was uns umgibt und berührt oder einfach etwas, das genau jenes nicht kann. Das gibt uns die Möglichkeit, die Inspiration für die Musik zu finden und jeden Tag ein wenig weiter zu gehen.

DeadwoodDas extrem düstere und gespenstische Artwork mag irgendwie gar nicht so recht zu eurem offenen und lichten Sound passen. Auch euer Logo lässt eher an eine traditionelle, konservative Black-/Death-Metal-Band denken. Ist diese Wirkung meine subjektive Wahrnehmung oder von euch beabsichtigt?

Viele erwähnte Kontraste zeigen hierbei genau die Verbundstellen unserer Mitglieder auf, wobei die Motive des Artworks wiederum in bewusst anderer Facette doch eine Gemeinsamkeit zur Musik haben. „Picturing A Sense Of Loss“ beschreibt eine Verbildlichung von etwas Eintretendem durch einen Verlust. Im Versuch, etwas zu beschreiben, das nicht da ist, bedient man sich abweichender Mittel und erzeugt etwas anderes, anstatt auf ein Nichts zu deuten. Hier zeigt etwas, das im Kern ein vertrautes Wesen sein konnte auf etwas, das keine Rolle spielt. Das Artwork ist Teil des Albums und führt berechtigt und beabsichtigt zu Fragen nach dem Zusammenhang. Ich frage mich zum Beispiel, warum das Artwork düsterer als die Musik empfunden wird. Das Artwork zeigt mir, wozu eine Reduzierung der Dinge führen kann.
Bewusst werfe ich nicht mit „Abwesenheit von Licht“ als Dunkelheit und sonstigen Exkursen um mich – es ist Aussage genug, wenn etwas gleichermaßen als Facette und Kontrast empfunden werden kann.

Mein persönlicher Favorit ist „na1.7“. Die Zeile „So far away. Emotionally. So far away…“ ist emotional so geladen, dass man zwangsläufig mitbrüllen will. Was steckt denn hinter dem kryptischen Kürzel (und hinter dem Text)?

Ganz knapp erklärt ist „na1.7“ etwas, das uns körperlich keine Schmerzen fühlen lässt. Wenn man keine Schmerzen empfinden kann, ist man dann noch in der Lage empathisch zu empfinden, oder zeigt man keinerlei Interesse mehr an dem teilzunehmen, was man allgemein als Leben bezeichnet? Entfernt man sich selbst nicht immer weiter von dem, was einen Menschen ausmacht? Es gibt einige Interpretationswege und wir wollen dem geneigten Hörer hier seine eigene Entscheidung nicht vorwegnehmen. Die meisten wissen nicht mal, wie wenige unserer Gefühle manchmal die eigenen sind, und wie viele unserer Reaktionen auf Gefühle rein fremdbestimmt sind.

Wie sieht denn die nähere und weitere Zukunft von Deadwood aus?

Wir werden weiterhin unsere Platte bewerben und live spielen, wann immer sich die Möglichkeit dazu ergibt. So geschehen am 15.03.2014 organisiert von unseren Freunden von Vehemenz in Hammelburg auf dem End Of Live Festival. Für uns war es ein absolut fantastischer Gig, zumal mit Rorcal & Obelyskkh zwei absolut fantastische Bands am Start waren. Natürlich werden wir auch weiterhin neue Stücke schreiben und diese dann hoffentlich aufnehmen.

Ich bitte ausdrücklich darum!
Vielen Dank für das Interview!

Wir danken für das Gespräch. Hey Ho – let’s go!

(mk)

www.fDacebook.com/DeadwoodVoid

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